Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Kostengünstiger qualitätsbewusster Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern in prosperierenden Regionen

Veranstaltungen

Auftaktveranstaltung (10. November 2004)

Am 10. November 2004 wurden die sechs Modellvorhaben des neuen ExWoSt-Forschungsfeldes "Kostengünstiger qualitätsbewusster Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern in prosperierenden Regionen" der Fachöffentlichkeit in Leipzig vorgestellt.

Florian Mausbach, Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, wies in seiner Eröffnungsrede darauf hin, dass mit dem neuen Forschungsfeld ein weiterer Schritt zur Stärkung der Kernstädte und zur Eindämmung der Stadt-Umlandwanderung unternommen werde. Mit den Vorhaben sollen Möglichkeiten erprobt werden, wie attraktive und nachfragegerechte Bau- und Wohnformen bei Ein- und Zweifamilienhäusern in Kernstädten kostengünstig und qualitätsbewusst umgesetzt werden können. Dabei komme der harmonischen Einbindung in die städtebaulichen Strukturen eine herausgehobene Bedeutung zu.

Dr. Engelbert Lütke Daldrup, Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig, veranschaulichte dieses Anliegen eindrucksvoll am Beispiel von Leipzig. Der Suburbanisierungsprozess sei hier in den 90er Jahren wie in vielen ostdeutschen Städten im Zeitraffertempo abgelaufen. Leipzig habe auf diese Weise insgesamt 50.000 Einwohner verloren. Folgen für die Stadt Leipzig seien erhebliche Leerstände und die soziale Segregation insbesondere in den ehemaligen Arbeiterquartieren. Für diese Fehlentwicklung zeichne eine nicht raumorientierte Förderpolitik verantwortlich.

Die Stadt Leipzig antwortete auf die Herausforderung mit einer umfassenden Stadterneuerungs- und Stadtumbaustrategie: Diese umfasst die Aufwertung öffentlicher Räume, die Entwicklung neuer Grünzüge, den Rückbau leer stehender Gebäude an städtebaulich vertretbaren Standorten und das Selbstnutzerprogramm, eine Initiative zur städtischen Eigentumsbildung. Erste Erfolge werden sichtbar. 2001 konnte der Bevölkerungsverlust nahezu gestoppt werden und für 2002 wurde sogar ein Plus von 1.743 Einwohnern erreicht. Von dieser positiven Entwicklung konnten allerdings nicht alle Stadtquartiere gleichermaßen profitieren. Herr Lütke Daldrup zog das Resümee: Für das Wohnen in der Stadt entwickelt sich ein Markt!

Tilo Braune, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, sieht es als Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für den Bau und Erwerb von Wohneigentum an die aktuellen Entwicklungen anzupassen, damit sich die Bürger langfristig Wohnraum leisten können. Als maßgebliche Entwicklungen führt er die regional unterschiedliche Bevölkerungsdynamik, die Alterung der Gesellschaft, die weitgehend entspannten Wohnungsmärkte und den wirtschaftlichen Strukturwandel an. Die Bundesregierung habe deshalb eine Initiative zum kostengünstigen und qualitätsbewussten Bauen gestartet. Ziel sei es, das Wissen um kostengünstige und qualitätsvolle Lösungen bei Bauschaffenden zu verbreitern und zugleich die Kompetenz der Bauherren zu stärken. Die Bedürfnisse der Selbstnutzer von Wohneigentum sollten stärker einbezogen werden. Dies gelte um so mehr, wenn sich Lebensstile und Wohnungsnachfrage ausdifferenzieren.

Die Bundesregierung flankiere die Initiative durch die Wohnungs- und Städtebauförderung. Bei der Weiterentwicklung der Förderpolitik habe die Bundesregierung darauf geachtet, dass es keinen Kahlschlag gebe. Die Programme würden konsequent an ein gesamtgesellschaftlich und gesamtwirtschaftlich verändertes Umfeld angepasst. Dabei orientiere man sich an den Leitlinien: Die Programme sollen zielgenauer werden. Der Wohnungsbestand solle gegenüber dem Neubau ein größeres Gewicht erhalten. Die Wohnungspolitik solle stärker mit der Städtebaupolitik verknüpft werden. Zudem werde eine verbesserte Verzahnung von Wohneigentum und privater Altersvorsorge angestrebt.

Andreas Jakob von der Forschungs- und Informations-Gesellschaft für Fach- und Rechtsfragen der Raum- und Umweltplanung mbH, die mit der Forschungsassistenz betraut ist, ordnete die Modellvorhaben thematisch ein. Die Entwicklung der Nachfrage nach Wohnraum und die Kosten für die Eigentumsbildung unterliegen verschiedenen Faktoren, die derzeit von erheblichem Wandel betroffen sind: Die Wirtschaft stehe weiterhin vor tiefgreifenden Strukturanpassungen mit Folgen für den Arbeitsmarkt und die Einkommenssituation. Die Bevölkerung entwickele sich in den Regionen höchst unterschiedlich, es gebe zugleich Regionen mit Schrumpfung, Stagnation und weiterem Wachstum. In prosperierenden Regionen schreite die Suburbanisierung weiter voran.

Die Thematik des kostengünstigen qualitätsbewussten Neubaus von Ein- und Zweifamilienhäusern stelle sich in den prosperierenden Regionen besonders deutlich heraus. Die Eintrittsbarriere für die Wohneigentumsbildung sei hier nach wie vor hoch. Die geringe Eigentumsquote in den Städten sei ein Beleg dafür. Zwischen den einzelnen prosperierenden Regionen bestünden aber deutliche Unterschiede. Die ausgewählten Modellvorhaben seien Stellvertreter für unterschiedliche Regionen. Die Fokussierung der Modellvorhaben auf die Kernstädte reflektiere die nationale Nachhaltigkeitsstrategie, die ein Verhältnis von Innen- zur Außenentwicklung von drei zu eins anstrebe.

Für die Qualität und die Werthaltigkeit einer Wohnimmobilie nehme der Standort weiter an Bedeutung zu. Auch die "Brauchbarkeit" sei eine entscheidende Komponente. Neben diesen Faktoren werde der Verfahrensqualität in den Modellvorhaben eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dies betreffe die Handlungslogiken und Erwartungshaltungen der verschiedenen Akteure, die es zusammenzuführen gelte.

Klaus Beck, Büro für Architektur und Stadtplanung, betrachtete in seinem Vortrag die Rolle des Architekten. Er stellt dabei eine große Kluft zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung fest. Die meisten Architekten verwirklichten eigene Ansprüche, das Ergebnis seien häufig Planungen, die keiner haben möchte. Daher unternehme das ExWoSt-Forschungsfeld den Versuch, das prozesshafte Verständnis bei den Architekten wieder zu wecken.

Er wies darauf hin, dass bei den meisten Eigenheimen nicht die tatsächlichen Wohnbedürfnisse, sondern die Erfüllung von Lebensträumen der Bauherren im Vordergrund stehe. Festzustellen sei eine Individualisierung und gleichzeitiger Pluralismus. Auch der Hausbau unterliege gewissen Moden, dies sei kontraproduktiv für ein derart langlebiges Gut und könne ein ernstzunehmendes Hemmnis für die langfristige Werthaltigkeit darstellen. Die meisten Neubaugebiete seien heutzutage entweder durch Monotonie oder durch "Wildwuchs" geprägt. Hier bestehe ein großes Aufgabenfeld in Bezug auf Bauqualität.

Im Anschluss an die einführenden Beiträge stellten sich die sechs Modellvorhaben vor. Dazu wird auf die vorherigen Seiten verwiesen.

Abschlussdiskussion
Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten unter Leitung von Herrn Jakob (FIRU mbH) Manfred Hilgen (BMVBW), Arnim Hentschel (Institut für Soziale Stadtentwicklung e.V.), Norbert Müller (Bielefelder gemeinnützige Wohnungsgesellschaft) und Thoralf Niehus (Hertrampf + Niehus Architekten) über die Herausforderungen des Wohnungsmarktes, die Zukunft des Wohnens und innovative Wohnkonzepte im Kontext tradierter Erwartungen.

Wichtig für den zukünftigen Wohnungsmarkt ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Nutzer der Immobilie. Bislang wurde der Markt wenig erforscht. Die Vorstellungen und Bedürfnisse des Nutzers in Bezug auf das Wohnen sind daher kaum bekannt. Wichtig für die Zukunft ist es, Marktkenntnisse zu erwerben. Aus Sicht der Wohnungsbaugesellschaften erscheint es sinnvoll, Workshops zur Produktentwicklung durchzuführen, um das Angebot differenzieren zu können und die große Diskrepanz zwischen Wohnwünschen und dem tatsächlichen Angebot zu verringern. Regionale Unterschiede gilt es dabei zu beachten, denn den einen idealen Haustyp für alle Nutzer gebe es nicht.

Wichtig für den Nutzer, so das Ergebnis einer Untersuchung des IFFS e.V. ist Privatheit und die intelligente Zuordnung des Freiraums. Eine Abstimmung des Angebotes auf die Nachfrage ist von hoher Bedeutung im Hinblick auf die Werthaltigkeit von Immobilien. Denn bei zu erwartender zurückgehender Nachfrage wird es künftig vermehrt "Ladenhüter" geben.

Der Architekt muss in Krisenzeiten nach neuen Marktsegmenten suchen. Hier ist zunehmend die Kreativität des Architekten gefragt, neue innovative Lösungen für den Wohnungsmarkt in Kernstädten zu entwickeln, die gleichzeitig auch von den Bauherren akzeptiert werden.

Von Seiten der Politik wird ein Beitrag zur Umsetzung innovativer Projekte in Kernstädten gefordert. Der Bund bietet hierfür die Rahmenbedingung, in erster Linie sind jedoch die Bundesländer, aber vor allem die Kommunen entscheidend für die Förderung von Projekten des Wohnungsneubaus im Ein- und Zweifamilienhausbereich in den Kernstädten. Die Eigenheimzulage des Bundes stellt bislang keine zielgenaue Förderung dar, die den Wohnungsbau in der Kernstadt begünstigt. Die Kommunen sind daher in der Pflicht, Modelle zu entwickeln, die das Bauen in der Stadt unterstützen und die Abwanderung der Bevölkerung verhindern.

Am Ende der Podiumsdiskussion wurden von den Teilnehmern folgende Wünsche für die zukünftige Entwicklung des Wohnungsmarktes geäußert:

  • Offenheit für ungewöhnliche Lösungen und Mut zu Experimenten,
  • verlässliche Rahmenbedingungen von Seiten der Politik,
  • wirtschaftliche Vernunft,
  • Nutzung der Chancen der Schrumpfung zur Reduzierung von Dichten, Schaffung von Freiräumen und damit Erzeugung von Stadtrandqualitäten in der Stadt,
  • Verbesserung der Kommunikation zwischen den Akteuren.

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