Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Modellvorhaben "Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere"

Fallstudie "Lebensräume der St. Anna Hilfe"
Ravensburg – Oberstadt (Baden-Württemberg)

Eckdaten
Stadt48.500 EW
Stadtquartier730 EW
QuartierstypBlockrand
Kreistypverdichteter Kreis
LageInnenstadt
präg. Baualtermittelalterlich
Sozialdaten>65-Jährige: 14%
<18-Jährige: 11%
Zuwanderer: 15%
Arbeitslose: k.A.
Träger/EigentümerStiftung, private Eigentümer
Förderungkeine

1. Kontext

Das Konzept der "Lebensräume für Jung und Alt" wurde von der Stiftung Liebenau und der St. Anna-Hilfe gemeinsam erarbeitet. Zentraler Gedanke dabei war, eine Wohnform zu entwickeln, die Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfe gleichermaßen ermöglicht. Seit 1994 entstanden an bisher 19 verschiedenen Standorten im süddeutschen Raum 20 "Lebensräume". Die ersten "Lebensräume" wurden 1994 in Vogt realisiert.

2. Konzept (Generationen, Quartier)

Die "Lebensräume für Jung und Alt" verstehen sich als ein Wohnangebot für Menschen aus der jeweiligen Gemeinde und ihrer Umgebung. Die Standorte stehen daher im Ortszentrum, um kurze Wege zum Einkaufen, zum Arzt und zu Behörden und für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben vor Ort zu gewährleisten. Der Ortsteil Oberstadt in Ravensburg stellt die Altstadt und damit den Stadtkern dar. Das Quartier hat in den letzten Jahren eine deutliche Aufwertung im Rahmen einer Sanierungsmaßnahme erfahren.

Die Projektentwicklung erfolgt durch die Stiftung Liebenau in Abstimmung mit der Gemeinde (Grundlagenvertrag). Die Wohnungen in den Lebensräumen können sowohl gekauft als auch gemietet werden. Ein Teil der Wohnungen verbleibt nach Fertigstellung im Eigentum der Stiftung und der jeweiligen Gemeinde. Auch die Vermietung der von Vorsorgern/ Kapitalanlegern erworbenen Wohneinheiten erfolgt über die Stiftung, die damit die Mischung der Altersgruppen sicherstellt. Im Fall des Projekts Gänsbühl werden circa 20 % der Wohnungen selbst genutzt, die übrigen werden vermietet. Insgesamt wurden im Projekt 50 Wohneinheiten realisiert.

In den Lebensräumen werden GemeinwesenarbeiterInnen eingesetzt, die als Ansprechpartner für die Bewohner zur Verfügung stehen. Jedes Lebensräume-Projekt verfügt über ein Service-Zentrum mit Räumlichkeiten für gemeinschaftliche Aktivitäten. An den einzelnen Standorten werden unterschiedliche Angebote realisiert. Das Projekt Gänsbühl zeichnet sich durch eine sehr breite Palette von Angeboten für alle Altersgruppen aus: für Kinder zum Beispiel "KinderTREFF 43", Mutter-Kind-Gruppen, Selbsthilfegruppen, Ausflugsangebote, Mittagstisch, Gymnastik und vieles mehr. Alle Angebote sind grundsätzlich offen auch für Bewohner des Stadtteils. Die Räume des Service-Centers können auch von anderen Institutionen oder Privatpersonen genutzt werden.

Die "Lebensräume" setzen weniger auf professionelle Hilfeleistungen und mehr auf aktive Nachbarschaft, Selbsthilfe und gegenseitige Untersstützung. Zahlreiche Bewohner übernehmen freiwillig Hausmeister- und Gartentätigkeiten, unterstützen hilfebedürftige Nachbarn beim Einkauf und Kochen oder helfen sich gegenseitig in der Kinderbetreuung. Durch Telefonketten oder Rollladenkontrolle sichern sich die Bewohner gegenseitig ab. Professionelle Hilfen werden häufig erst dann in Anspruch genommen, wenn nachbarschaftliche Hilfen nicht mehr ausreichen. In vielen Wohnanlagen befinden sich auch Stützpunkte ambulanter Dienste.

3. Innovationen

  • Systematische Entwicklung von Generationen übergreifenden Projekten mit Bezug zum Quartier
  • Finanzierung der Gemeinwesenarbeit über einen Sozialfonds (kommunal/Stiftung).

4. Ziele

  • Generationen übergreifendes Zusammenleben (mindestens ein Drittel jüngere Bewohner)
  • Aktivieren von Nachbarschaftshilfe über Gemeinwesenarbeiterin
  • Sozialer Isolation und Vereinsamung im Alter entgegenwirken

5. Maßnahmen/Verfahren

  • 1995 Vorstellung der Idee bei der Stadt Ravensburg
  • 1996 Grundlagenvertrag wird zwischen der Stiftung Liebenau und der Stadt Ravensburg beschlossen
  • 1998 Fertigstellung der Wohnanlage Gänsbühl

6. Finanzierung/Förderung/Kosten

Die Gemeinwesenarbeit ist für die Bewohner kostenfrei. Zur Finanzierung haben die Stiftung Liebenau und die jeweilige Gemeinde vor Ort einen Sozialfonds gegründet, in den die Gewinne aus dem Bauträgergeschäft und dem Grundstücksverkauf (eingebracht durch die Gemeinde) einfließen. Die damit erwirtschafteten Zinserträge werden für die Ausgaben der Gemeinwesenarbeit verwendet. Ein Grundlagenvertrag legt fest, dass die Mittel aus diesem Fonds direkt und ausschließlich den Bewohnern der Gemeinde zugute kommen.

Die Wohnkosten (Miete/Eigentum) tragen die Bewohner selbst. Werden professionelle Pflegeleistungen in Anspruch genommen, werden diese von dem ambulanten Dienst nach den Kostensätzen der Pflegeversicherung berechnet.

7. Projektstand

Bisher wurden in 19 verschiedenen Gemeinden 20 "Lebensräume" realisiert. In diesen Wohnanlagen gibt es rund 720 Wohneinheiten und über 1.000 Bewohner. In Ravensburg Gänsbühl leben derzeit etwa 120 Bewohner. Vertreten sind alle Altersgruppen (etwa 17 % Kinder und 37 % der Bewohner 60 Jahre und älter).

Die Angebote im Service.Center werden rege genutzt. Jeden Monat kommen etwa 1.000 Personen in das Zentrum.

In der Stadt Ravensburg gibt es neben der Wohnanlage Gänsbühl die Wohnanlage Weinbergstrasse mit 84 Wohnungen.

8. Akteure/Beteiligte

Es bestehen bei diesem Projekt sehr viele Kooperationen:

  • Caritas "zuhause leben"-Stellen
  • Kindergarten (im Nebengebäude)
  • Katholisches Bildungswerk
  • Pflegeheim St. Meinrad
  • Sozialstation St. Anna

Träger der Lebensräume ist die St. Anna-Hilfe, die neben diesem Angebot noch Träger von Pflegeheimen und Sozialstationen ist.

Ansprechpartner:
Gerhard Schiele
St. Anna-Hilfe GmbH
Siggenweilerstraße 11
88074 Meckenbeuren
Telefon 0 75 42/10-40 05

9. Gender Relevanz

Bei dem Projekt gibt es keine besonders hervorzuhebenden Genderaspekte.

10. Wechselbeziehungen Wohnen : Freiflächen : Gemeinschaftseinrichtungen

keine

11. Besonderheiten / Anmerkungen

Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Wirtschaftsforum Ravensburg.

12. Weiterführende Informationen

Zeitschrift Archiv 2/2006 "Deregulierung in der Altenhilfe am Beispiel der Lebensräume für Jung und Alt".

Zugehörige Projekte

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