Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Schwerin, Neu Zippendorf: Nachbarschaftszentrum Wuppertaler Straße

Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere - Modellvorhaben

Angaben zum Projekt
KontaktSchweriner Wohnungsbaugenossenschaft eG
Leonhard-Frank-Str. 35
19059 Schwerin
Tel.: +49 385 74-500

Mail: direkt@swg-schwerin.de
www.swg-schwerin.de
ProjekttypUm- und Rückbau Wohngebäude
Nutzflächeca. 100 m²
TrägerVerein
AkteureSchweriner Wohnungsbaugenossenschaft eG, Stadt Schwerin, Hand-in-Hand e.V.
ZielgruppenQuartiersbewohner
AngebotsprofilGenossenschaftliches Nachbarschaftszentrum für alle Bewohner bietet Raum für Engagement und (nachbarschaftliche) Unterstützung.

Kontext

Der 70 Hektar große Stadtteil Neu Zippendorf entstand in der Zeit von 1976 bis 1980. Im Stadtteil lebten im Jahr 2007 rund 6.000 Einwohner. Neu Zippendorf hat seit der Wende mehr als 35 Prozent seiner Einwohner verloren, dadurch sind z.T. hohe strukturelle Leerstandsquoten zu verzeichnen. Der Anteil älterer Einwohner ist sehr hoch. Es bestehen Defizite im Sanierungsstand der Gebäude und generelle Gestaltungsdefizite im öffentlichen Raum. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen im Gebiet liegt deutlich unter dem gesamtstädtischen Durchschnittseinkommen. Neu Zippendorf verfügt über wenig kulturelle Angebote und wenige Integrationsangebote für Ausländer und Spätaussiedler. Allerdings haben Sanierungs-, Wohnumfeld- und Rückbaumaßnahmen im Rahmen der Programme "Stadtumbau Ost" und "Soziale Stadt" der letzten Jahre eine spürbare Stabilisierung und Imageverbesserung des Wohngebietes erreicht.

Angaben zum Quartier
Einwohnerca. 6.000
Lage im Stadtgebietsüdöstlicher Stadtrand
QuartierstypGroßsiedlung in Plattenbauweise 1970er Jahre
SozialstrukturKinder und Jugendliche 10 %
Menschen über 65 Jahre 23 %
Einwohner mit Migrationshintergrund 17 %
Arbeitslosenanteil 20 %
NutzungenWohnen


Konzept

Die Aufwertungsmaßnahmen im Rahmen des Stadtumbaus wurden bislang überwiegend von älteren Mietern angenommen, reichten jedoch noch nicht aus, eine jüngere Mieterschaft oder Familien mit Kindern langfristig an den Stadtteil zu binden. Im Quartier Wuppertaler Straße, dessen Wohnungen sich zu 80 % im Eigentum der Schweriner Wohnungsbaugenossenschaft eG (SWG) befinden, wird deshalb eine tatsächliche Mischung der Generationen angestrebt. Umbaumaßnahmen an zwei Gebäudezeilen werden dabei parallel mit dem Aufbau einer Gemeinschaftseinrichtung verknüpft, für die ein bestehendes Wohngebäude bis auf eineinhalb Geschosse zurückgebaut wird. Das neue Nachbarschaftszentrum soll ein wichtiger Identifikationspunkt für alle Generationen sowie Ort für Engagement und Unterstützung im Quartier werden. Als Träger ist der Verein "Hand in Hand e.V." vorgesehen, der im Auftrag und in Kooperation mit der SWG bereits 6 Nachbarschaftstreffs in Schwerin betreut. Die Aktivierung der verschiedenen Bewohnergruppen spielt eine zentrale Rolle bei der Projektentwicklung. Ziel ist es, ehrenamtliche Aktivitäten zu fördern und eine Netzwerkbildung im Stadtteil zu befördern. Alle Maßnahmen sollen dazu beitragen, eine soziale wie auch altersmäßige Durchmischung des Wohnquartiers zu erreichen sowie den sich vollziehenden Segregationstendenzen entgegen zu wirken. In diesem Ansatz wird die Chance gesehen, die Standortvorteile des innerstädtischen Quartiers in Verbindung mit einem intensiven Dialog- und Beteiligungsprozess zu einem konkurrenzfähigen Profil zu entwickeln.

Finanzierung

Der Bau wird über Eigenmittel der Genossenschaft sowie über Mittel des Ministeriums für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern sowie des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (ExWoSt) finanziert. Der laufende Betrieb des Nachbarschaftszentrums soll nach Ende der Projektlaufzeit möglichst eigenständig ohne Finanzierung durch Dritte gewährleistet werden. Eine Grundbetreuung ist zur Zeit über zwei Mitarbeiterinnen des Vereins Hand in Hand e.V. gewährleistet. Dieses Personal wird noch aus ABM-Mitteln finanziert, ab September 2009 soll eine Festanstellung über die Betreuungspauschale "Wohnen mit Service im Alter" erfolgen. Weitere unterstützende Kräfte sollen über öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse gewonnen werden. Insgesamt baut das Nutzungskonzept des Nachbarschaftszentrums zudem grundlegend auf einem starken ehrenamtlichen Engagement der Bewohner auf.

Aspekte der generationen- und zielgruppenübergreifenden Nutzung

Eine zentrale Herausforderung in der Konzipierung des Nachbarschaftszentrums liegt darin, die unterschiedlichen sozialen und kulturellen Anforderungen der Nutzergruppen zu integrieren und daraus Synergieeffekte zu initiieren. Diese Anforderungen speisen sich aus der Bandbreite der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Bewohner und den unterschiedlichen Generationen. Eine wichtige Erfahrung ist auch die Erkenntnis, dass der Aspekt der generationenübergreifenden Angebote immer wieder eingebracht und bei allen Maßnahmen und Aktionen neu im laufenden Verfahren justiert werden muss.

Wechselbeziehungen Wohnen: Freiflächen: Gemeinschaftseinrichtungen

Das Nachbarschaftszentrum liegt an einer zentralen Wegeachse in Quartier, die den Freiraum rund um den Schweriner See erschließt. Durch seine Einbindung in die umgebende Wohnbebauung ist eine starke Wechselbeziehung zum Wohnen gegeben. Dennoch ist durch die Lage am Kopf einer Plattenbauzeile und den direkten Anschluss an die öffentliche Wegeverbindung die räumliche Öffnung zum Quartier vorhanden.

Fokus Zielgruppen: Alter Stadtteil sucht junge Bewohner

Zielgruppen, die mit dem Nachbarschaftszentrum erreicht werden sollen, sind die vorhandene überwiegend ältere Mieterschaft sowie insbesondere jüngere Bevölkerungsgruppen und Familien, die als neue Bewohner des Stadtteils gewonnen werden sollen. Während die älteren Mieter als alteingesessene Bewohnerschaft über ein vergleichsweise hohes Haushaltseinkommen verfügen, sind unter den jüngeren Mietern viele, die Transferzahlungen beziehen. Bei Familien mit Kindern hat der Stadtteil einen relativ schlechten Ruf. In der Abwägung der Wohnqualität und im Preisvergleich wird ein Wohnangebot im Umland oder z.B. im benachbarten Stadtteil "Gartenstadt" vorgezogen. In den vergangenen Jahren haben gut situierte Familien mit und ohne Kinder den Stadtteil Richtung Umland oder auch Innenstadt verlassen. Eine weitere Zielgruppe sind russischsprachige Migranten. Dabei ist zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden: Die russischen Kontingentflüchtlinge stammen häufig aus der Ukraine und haben in der Regel akademische Bildungsabschlüsse. Die Russlanddeutschen stammen eher aus ländlichen Regionen verschiedener Staaten der ehemaligen russischen Föderation. Insbesondere die jüdische Kontingentflüchtlinge sind kulturell hoch gebildet und sehr interessiert, sich vor Ort zu integrieren.

Im Rahmen des Ausbaus des Nachbarschaftszentrums als kommunikatives Quartierszentrum spielt die Aktivierung der verschiedenen Bewohnergruppen eine zentrale Rolle. Ziel ist es, ehrenamtliche Aktivitäten zu fördern sowie Schlüsselakteure im Prozess zu identifizieren und zu aktivieren und so eine Netzwerkbildung im Stadtteil zu befördern. Damit sollen die vorhandene überwiegend ältere Mieterschaft, aber auch neu zu gewinnende jüngere Zielgruppen angesprochen werden. Das Nachbarschaftszentrum soll ein Identifikationspunkt und ein Ort für Engagement und Unterstützung sein, den alle Bewohner mitgestalten können. Technische Innovationen wie der schlüsselfreie Zugang, eine nutzungsgesteuerte Heiz- und Regeltechnik wie auch die Einrichtung einer Quartiersplattform sollen den Prozess unterstützen.

Mit einem professionellen Nachbarschaftsmanagement, das an das Nachbarschaftszentrum gekoppelt wird, ist beabsichtigt, insbesondere für Familien mit Kindern und Senioren einen konkreten "Wert" zu bieten. Hierbei wird auf den Erfahrungen der SWG in den anderen Quartieren aufgebaut, die zeigen, dass ein entsprechendes Raumangebot notwendige Voraussetzung ist, dieses aber auch mit einem tragfähigen Nutzungskonzept und mit verantwortlichen Personen "mit Leben" gefüllt werden muss. Im Erfolgsfall wird sowohl eine soziale wie auch demografische Durchmischung des Wohnquartiers erreicht und sich vollziehenden Segregationstendenzen entgegengewirkt. Aus der Aktivierungsarbeit im Stadtteil (siehe unten) wird deutlich, dass die Etablierung als Wohnstandort für Familien ein langer Prozess sein wird, der auch verschiedene Vorbehalte der alteingesessenen Bewohner gegen neue soziale Strukturen im Stadtteil ausräumen muss. In wie weit das gesetzte Ziel erreicht wird, muss sich in den kommenden Monaten zeigen, in denen sowohl die durchgeführten Maßnahmen des Stadtumbaus abgeschlossen werden als auch die Arbeit des Nachbarschaftszentrums in einen ersten Alltagsbetrieb übergeht.

Fokus Prozess: Aktivierung für die Nutzung

Die Prozessgestaltung im Schweriner Modellvorhaben beinhaltet parallel zu den Umbaumaßnahmen und vor Abschluss der baulichen Maßnahmen den Dialog- und Beteiligungsprozess mit den Bewohnern. Dies bedeutet, dass die Bewohner eine echte Beteiligungschance erhalten und das Nutzungskonzept des Nachbarschaftszentrums in den Grenzen der Zielsetzung des Projekts ergebnisoffen ist.

Ein wichtiger Baustein in der Entwicklungs- und Planungsphase war die Erarbeitung einer Milieustudie. Mit der durchgeführten schriftlichen Befragung wurden alle Haushalte im Stadtteil über das Projekt informiert und hatten Gelegenheit, sich zum Vorhaben und zu ihren Bedürfnissen zu äußern. Weiterhin wurde die Befragung auch dazu genutzt, die Bewohner für das Nachbarschaftszentrum zu interessieren und zu aktivieren. Durch eine vergleichsweise hohe Rücklaufquote liegen tragfähige und belastbare Ergebnisse zu den Bedarfen nach wohnbegleiteden Angeboten, Rahmenbedingungen des ehrenamtlichen Engagements und Erwartungen an den weiteren Umbauprozess vor.

Bewährt hat sich in dem Zusammenhang das Angebot einer russischsprachigen Sprechstunde zum Fragebogen. Diese wurde von Migranten zahlreich angenommen. Ein kritisches Ergebnis der Befragung ist, dass einige alteingesessene Bewohner den vermehrten Zuzug von jungen Familien in den Stadtteil nicht befürworten. Hier wird versucht, Vorbehalte durch aktive Nachbarschaftsarbeit abzubauen.

Das Werben von Personen, die sich im Aufbau des Nachbarschaftszentrums engagieren wollen, ist durch die schriftliche Befragung erheblich erleichtert worden. Etwa 70 Personen zeigten sich in der Befragung an einem Engagement interessiert, nach einigen ersten Veranstaltungen haben sich inzwischen rund 30 Personen in vier Arbeitsgruppen zum Aufbau des Nutzungskonzeptes zusammengefunden.

Bewährt hat sich in der Entwicklungs- und Planungsphase über die aktivierende Milieustudie hinaus die frühzeitige Öffnung der Mitwirkungsangebote und -bedarfe in den Stadtteil hinein. Mit der Einrichtung des Runden Tisches sind alle institutionellen Akteure (Träger sozialer Infrastruktur, Wohnungsgesellschaft, Stadtteilmanagement, Stadtverwaltung, Reha-Zentrum) des Stadtteiles eingeladen, ihre Interessen, Ideen und Kritik einzubringen. Der Runde Tisch trägt zum Informationstransfer und zur Vernetzung im Stadtteil bei. Dennoch ist diese Zusammenarbeit in Teilen verbesserungswürdig. So ist der Austausch mit den in den benachbarten Stadtteilen Mueßer Holz und Dreesch eröffneten "Mehrgenerationenhäusern" des BMFSJF aufgrund der Konkurrenzsituation der Projektträger kaum oder nur eingeschränkt möglich.

Die Eröffnung des Nachbarschaftszentrums im August 2008 wurde genutzt, weitere Interessierte zur Gründung einer AG oder zur Teilnahme an einer bestehenden Arbeitsgruppe zu gewinnen. Strategie ist es langfristig, aus begeisterten Gästen zukünftige Aktive zu machen. Gleichzeitig ist es wichtig, von Beginn an den spezifischen Charakter des generationenübergreifenden Miteinanders zu vermitteln.

Erfahrungen und Übertragbarkeit

Strategien, die beweisen, wie Quartiere des industriellen Wohnungsbaus für unterschiedliche Altersgruppen attraktiv werden, können zur nachhaltigen Sicherung und Weiterentwicklung dieser Quartiere beitragen. Die Verzahnung wohnungswirtschaftlicher Umbaustrategien mit einem professionellen Sozialmanagement der Nachbarschaften ist in diesem Zusammenhang zukunftsweisend. Die Verzahnung baulicher Maßnahmen und sozialer Ansätze ist ein wichtiger Faktor in der ganzheitlichen Aufwertung der Quartiere. Es zeigt sich, dass die frühzeitige und umfangreiche Information, Beteiligung und Aktivierung bereits in der Planungsphase und die frühe Übernahme von Verantwortung durch interessierte Bewohner die breit gefächerte Nutzung der Gemeinschaftseinrichtung vom ersten Tag an fördert.

Weiterführende Informationen

Die Projektbeschreibung können Sie sich hier auch als barrierefreie PDF herunterladen.
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Zusätzliche Informationen erhalten Sie auch auf folgenden Internetseiten:

Alle Modellvorhaben des Projekts

Liste der Modellvorhaben

Zugehörige Projekte

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