Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Gemeinsam statt einsam - Generationenwohnen in Arnstadt-Ost

Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere - Modellvorhaben

Eckdaten
Stadt26.000 EW
Stadtquartier3.000 EW
QuartierstypZeilenbau
KreistypKeisstadt (Ilmkreis)
LageÖstliche Peripherie der Stadt
präg. Baualter1960er/70er Jahre
Sozialdaten>65-Jährige: 35,0%
<20-Jährige: 11,5%
Sozialhilfeempfänger: 12,5%
Träger/EigentümerWohnungsbaugesellschaft der Stadt Arnstadt mbH
FörderungWohnungs- und Städtebauförderung des Landes

Das Projekt

Kontext

Das Wohngebiet Arnstadt-Ost bietet ein relativ breites Spektrum preiswerter Wohnungen unterschiedlicher Größe in ruhiger, durchgrünter, innenstadtnaher Lage mit guter infrastruktureller Ausstattung. Den heutigen Bedürfnissen von Familien, jungen Leuten aber auch von Menschen mit zunehmendem Betreuungsbedarf wird der Standard eines Teils dieses Wohnungsbestandes (60er Jahre Blockbauweise) jedoch nicht mehr gerecht. Zudem ist die stabile, aber stark alternde Bewohnerschaft des Quartiers zunehmend von wirtschaftlich und demografisch bedingten Einwohnerverlusten betroffen.

Um das Wohngebiet schrittweise zu verjüngen und somit mittel- und langfristig zu stabilisieren, muss der Standort sowohl für die vorhandenen Mieter als auch für neue, jüngere Bewohnergruppen attraktiver werden. Mit der Konzeption und Realisierung des gemeinschaftlich orientierten Pilotprojektes "Gemeinsam statt einsam – Generationenwohnen in Arnstadt", das seinen Ursprung in einer privaten Initiative Arnstädter Bürger hat, wird die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Arnstadt mbH (WBG) einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Konzept

Ziel des Projektes ist es, durch den Umbau sowie die komplexe Instandsetzung und Modernisierung zweier, bereits leer stehender, zentral gelegener Viergeschosser ein Ensemble zu realisieren, indem Jung und Alt, Singles und Familien in unterschiedlichen Formen selbstbestimmt in guter Nachbarschaft zusammen wohnen können. Es werden 52 Mietwohnungen, 3 davon behindertengerecht, und gemeinschaftlich nutzbare Räumlichkeiten und Flächen entstehen.

Schwerpunkt ist das Zusammenleben in generationenübergreifender Gemeinschaft durch den Aufbau verbindlicher Nachbarschaften bei gleichzeitiger Wahrung der Selbständigkeit der Bewohner. Eine Gruppe alleinstehender Seniorinnen hat sich mit diesem Ziel zusammengeschlossen und ist an das Wohnungsunternehmen herangetreten. Ihre Vorstellung ist ein gemeinschaftliches Wohnen in barrierefreien Wohnungen zur Miete mit Gemeinschaftsräumen zur selbständigen Bewirtschaftung und ggf. mit Serviceangeboten im Haus für die gesamte Bewohnerschaft, an einem Standort, der auch im Alter noch eine gute Anbindung an die Innenstadt bietet.

Vor diesem Hintergrund hat die WBG das Projekt initiiert. Anders als bei den üblichen Mietobjekten kommt den Bewohnern eine stärkere selbstbestimmte Rolle zu. Abhängig von den konkreten Vorstellungen der Interessenten, werden im Projektvorhaben unterschiedliche Formen des gemeinschaftlichen Wohnens realisiert. Mit dem Wohnprojekt soll ein Impuls gesetzt werden, der zur sozialökonomischen Gebietsstabilisierung führt. Es sollen neue Nachbarschaften und Generationennetzwerke entwickelt werden. Die Mieter nehmen aktiv am Prozess der Planung, der Umsetzung und Nutzung teil.

Die Gruppe, die sich ernsthaft für das Wohnprojekt interessiert und bereits Verbindlichkeiten eingegangen ist, umfasst derzeit 31 potenzielle Mietparteien, die mehrheitlich der Altersgruppe 55+ angehören. Bislang zählen drei Familien mit insgesamt sechs Kindern zu der zukünftigen Mietergemeinschaft.

Realisierung einer Hausgemeinschaft

In den beiden viergeschossigen Wohngebäuden werden 52 barrierefreie Wohneinheiten mit Balkon bzw. Terrasse (Haus 2), drei davon behindertengerecht sowie ein Gemeinschaftsraum und eine Dienstleistungseinheit realisiert. Die Wohnungsgrößen werden entsprechend der derzeitigen Nachfrager zwischen 40 m² und 120 m² betragen. Dabei sind sowohl kleine Wohnungen mit 1,5 Zimmern für Einpersonenhaushalte als auch eine größere Wohnung mit fünf Zimmern für eine Familie geplant. Entsprechend den Bedarfen der Nachfragegruppe des gemeinschaftlichen Wohnprojektes liegt der Schwerpunkt der Wohnungsgrößen zwischen 50 bis 75 m² (mehr als drei Viertel der Wohnungen) für Ein- und Zweipersonenhaushalte.

Im Rahmen der Umbaumaßnahmen der 60er Jahre-Häuser wird die Erschließung komplett verändert und erfolgt in Zukunft pro Haus über je einen zentralen Treppenhauskern mit Aufzug und Laubengängen. Diese sollen nicht nur die schwellenfreie Erschließung der Wohnungen ermöglichen, sondern auch als Kommunikationsräume und -flächen genutzt werden. Die ursprüngliche Planung orientierte sich auf Wohnungen ohne Balkone. Während des Prozesses wurde deutlich, dass die zukünftigen Nutzer trotz Laubengang und gemeinschaftlicher Terrasse auf private Freiflächen nicht verzichten wollen.

Ergänzt werden die Wohnungen durch einen Gemeinschaftsbereich im Erdgeschoss des Hauses 1. Die Fläche beträgt nach derzeitiger Planung ca. 130 m² und soll folgende Raumangebote beinhalten: einen großen (teilbaren) Gemeinschaftsraum für Veranstaltungen, Versammlungen etc. und zwei kleinere Räume sowie eine Küche und behindertengerechte Toiletten. Im Außenbereich schließt sich eine große Terrasse an, und auch die Frei- und Grünflächen zwischen den Gebäuden werden gemeinschaftlich nutzbar sein.

Es soll sich ein kommunikativer Ort der Begegnung für das gesamte Quartier entwickeln, der eine Zentrumsfunktion im Quartier übernimmt.

Frühe Einbindung der zukünftigen Nutzer

Die WBG wählt mit dem Modellvorhaben einen neuen Weg der Projektentwicklung und realisiert das erste gemeinschaftlich orientierte Mietwohnprojekt in Thüringen. Integrative Planung und die intensive Einbindung der zukünftigen Bewohner sind an diesem Prozess die Besonderheiten des Vorhabens und für alle Beteiligten eine neue Erfahrung. Im Rahmen der Projektentwicklung hat sich mittlerweile ein stabiler Kern von Mietinteressenten herausgebildet. Förderlich hierfür waren die vielen Veranstaltungen wie Interessenwerkstätten, mehrere Stammtische, ein Sommerfest und eine Exkursion nach Hessen, die den Teilnehmern ermöglichte, bereits existierende gemeinschaftliche Wohnprojekte zu besichtigen und eine eigene Idee für das Projekt "Gemeinsam statt einsam" zu entwickeln.

Folgende Arbeitsformen und -methoden sind wesentliche Module der Beteiligungsstruktur:

  • Interessenwerkstätten: alle acht bis zwölf Wochen finden Planungswerkstätten mit 20 bis 35 Teilnehmern statt, in denen im Wechsel von fachlichem Input, moderierter Diskussion und Arbeit in kleinen Gruppen gemeinsam Themen und Fragen zum Projekt schrittweise bearbeitet werden;
  • Arbeitsgruppen: vier Gruppen mit drei bis sechs Teilnehmern zu den Themen "Projektidee und Organisation", "Garten und Freiraum", "Gemeinschaftsräume und Gemeinschaftsaktivitäten" sowie "Pflege im Wohnprojekt" wurden gegründet, die Vorschläge zu speziellen Themen erarbeiten, um diese in den Interessenwerkstätten vorzutragen und abzustimmen;
  • Gemeinsame selbstorganisierte Aktivitäten der zukünftigen Hausgemeinschaft: die Hausgemeinschaft soll schrittweise in die Öffentlichkeitsarbeit des Projektes eingebunden werden, beispielsweise durch selbstorganisierte Projektfeste vor Ort, gemeinsame Wanderungen und aktive Präsentationen bei Wohngebietsfesten. Dieses Engagement soll vor allem zur Akzeptanz und Verankerung des Projektes im Wohngebiet dienen und die Hausgemeinschaft soll Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Partnern (Vereine, Dienstleister vor Ort, u.a.) sammeln; diese gemeinsamen Erfahrungen qualifizieren und stärken die Gemeinschaft.

Die WBG ist in den intensiven Beteiligungsprozess, der durch ein externes Büro gesteuert wird, in der Regel involviert. So ist bereits vor dem Einzug der Mieter ein kooperatives Verhältnis zwischen Wohnungsunternehmen und den zukünftigen Mietern entstanden.

Intensive Öffentlichkeitsarbeit

Ein wesentliches Element für die erfolgreiche Entwicklung des Projektes ist die fortlaufende intensive Öffentlichkeitsarbeit in Form von Pressearbeit, Projektpräsentationen in Informationsveranstaltungen und Ausstellungen. Ein Großteil der Mietinteressenten wurde über diese Öffentlichkeitsarbeit gewonnen und viele verschiedene Akteure, auch überregional, zeigen Interesse am Modellvorhaben. So wurde auch Kontakt zu lokalen Gewerbetreibenden, Dienstleistern, Bildungsträgern und Vereinen aufgenommen, um sie für Kooperationen zu gewinnen.

Wohnungsunternehmen als Projektsteuerer

Die Projektsteuerung liegt in der Hand der WBG. Im Arbeitsprozess sollen möglichst alle Beteiligten mit einbezogen werden. Dazu wurden zwei verschiedene Gremien gebildet: zum einem das Planungsteam (WBG, Architektin, Fachplaner, externes Büro für fachliche und kommunikative Begleitung) und zum anderen die Projektgruppe (Planungsteam, Vertreter des Stadtplanungsamtes, Vertreter öffentlicher Vereine und Mietinteressenten). Die Rückkopplung beider Gruppen ist für die erfolgreiche Umsetzung des Projektes von großer Bedeutung. Deshalb findet ein regelmäßiger Austausch zwischen allen Beteiligten (WBG, Architektin, Fachplaner, externes Büro für fachliche und kommunikative Begleitung, Vertreter des Stadtplanungsamtes, örtliche Vereine und Mietinteressenten) statt.

Träger und Finanzierungsform

Die WBG ist Projektträger und Eigentümer der Liegenschaft. Auch in der Nutzungsphase bleibt die WBG Arnstadt mbH Träger des Projektes und Vermieter.

Die WBG schließt mit jeder Mietpartei für die Wohnung einen Einzelmietvertrag ab. Hinzu kommt eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Mietergemeinschaft und dem Vermieter. Die zukünftige Mieterschaft sucht dafür noch eine geeignete Organisationsform. Zur Wahl steht eine Vereinsgründung oder das Prinzip der Mietergemeinschaft, wobei letzteres favorisiert wird. Die Miete und die anfallenden Betriebskosten für die Gemeinschaftsräume werden anteilig auf die Einzelmieter umgelegt. Die Vermietung der Gemeinschaftsräume erfolgt rein formal an die Mietergemeinschaft. Zum kalkulierten Mietpreis von 5,00 Euro/m² Wohnfläche kalt kommt eine Umlage für den Gemeinschaftsbereich von 16,00 Euro/Monat pro Haushalt.

Die erforderlichen Investitionen für den Umbau und die Modernisierung finanziert die WBG durch Eigenmittel, Wohnungs- und Städtebauförderung des Landes, KfW-Mittel und Zuwendungen.

Nach der Projektrealisierung werden keine Förderungen für den weiteren Betrieb erwartet. In der Nutzungsphase finanziert sich das Projekt über die Mieteinnahmen.

Erfahrungen und Übertragbarkeit

Wohnquartiere mit einem hohen Anteil an Geschosswohnungen der 60er Jahre bieten selten altengerechte Wohnungen. Ältere Menschen müssen bei zunehmender Immobilität diese Quartiere verlassen, wenn der Bestand nicht entsprechend umstrukturiert wird. Erfolgreich ist eine solche Umstrukturierung, wenn der Planungsprozess unter Einbindung der zukünftigen Nutzer läuft. Relativ leicht ist es, für altengerechte Wohnangebote in Bestandsquartieren der 60er Jahre ältere Haushalte zu gewinnen, da diese in der Regel vor Ort leben und in dem angestammten Quartier wohnen bleiben möchten. Schwieriger ist es, junge Familien zu gewinnen.

In Arnstadt ist es gelungen auch Interessenten zu gewinnen, die nicht bereits im Quartier gelebt haben, weil mit dem Konzept des "gemeinschaftlichen Wohnens" eine neue Wohnform realisiert wird. Es wird deutlich, dass Ältere nicht nur physisch altengerechte Wohnungen suchen, sondern auch gegenseitige Hilfe und ein Miteinander in der Nachbarschaft wünschen. In Arnstadt zeigt sich auch, dass Wohnungsunternehmen, die sich für Initiativgruppen öffnen, erfolgreich ihre Bestände umstrukturieren und vermarkten können.

Kontakt

Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Arnstadt mbH
Andreas Adolf, Geschäftsführer
Vor dem Riedtor 4
99310 Arnstadt
Tel.: +49 3628 9305-0
info@wbg-arnstadt.de
www.wbg-arnstadt.de

Alle Modellvorhaben des Projekts

Liste der Modellvorhaben

Zugehörige Projekte

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