Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Allen gerechtes Wohnen in Fürth - Westliche Innenstadt

Innovationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere - Modellvorhaben

Eckdaten
Stadt114.000 EW
Stadtquartier12.000 EW
QuartierstypMischgebiet
KreistypKernstadt
Lagezentral
präg. BaualterGründerzeit
Sozialdaten>65-Jährige: 16%
Zuwanderer: 40%
SGB II: 20%
Arbeitslose: 7%
Träger/EigentümerAWO-Stiftung, Wohlfahrtsverbände, Nutzervereine
FörderungSoziale Stadt, Bayrische Modellvorhaben, EOF

1. Kontext

Fürth hat mit seiner westlichen Innenstadt das größte Sanierungsgebiet in Bayern im Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt". Weitere Besonderheit: das Stadtzentrum ist der soziale Brennpunkt. Das einheitliche Ensemble historischer Bausubstanz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein höherer Prozentsatz ärmerer Schichten und mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben als in der Gesamtstadt. Der Seniorenanteil bewegt sich nur deswegen im gesamtstädtischen Mittel, weil die Migrantenfamilien eine höhere Reproduktionsrate aufweisen. Die größten Gegensätze bestehen zwischen den älteren Deutschen und der nachwachsenden Generation von Ausländern.

2. Konzept (Generationen, Quartier)

In dem potenziellen Konfliktfeld zwischen sozialen Nischenmilieus und neuer Gentrifikationstendenz wollte der Wohlfahrtsverband AWO Fürth e.V. mit seiner ihm angeschlossenen AWO-Stiftung SOZIALES ENGAGEMENT IN FÜRTH ein Zeichen setzen, dass die Verbesserung der Wohnverhältnisse für alle Schichten und Altersgruppen auch in guter Nachbarschaft und sogar unter einem Dach möglich ist. Interessierte für ein generationen-, alters- und nationalitätenübergreifendes gemeinsames Wohnprojekt wurden also gesucht, die in der Zusammensetzung diejenigen Zielgruppen repräsentieren, die in der Innenstadt schon wohnen: Alte und Junge, Deutsche und Ausländer, Einkommensstärkere und Einkommensschwächere. Auf diese Weise sollte ein positives Modell für "geforderte" statt überforderte Nachbarschaften auch für andere geschaffen werden. Mit einer Projektentwicklerin hat man sich inzwischen zu einem gemeinnützigen Verein "Anders Wohnen" e.V. zusammengetan, um sich als Mieter weitestgehend selbst zu organisieren, den integrierten Anwohnertreffpunkt mit zu verwalten und anschließend ihre "best practice" auch mit Außenwirkung zu versehen.

Für das Experiment steht eine Liegenschaft in exponierter Lage zur Verfügung, die allerdings erst umgebaut und saniert werden muss. Die Umplanung ist bereits unter Beteiligung der potenziellen InteressentInnen passiert und hat sie durch die Offenlegung ihrer Wohnbedürfnisse, aber auch durch die Diskussion ihrer Problemlagen, einander näher gebracht.

3. Innovationen

Die Projektentwicklung hat einerseits "top down" stattgefunden durch den sozialplanerischen Lösungsansatz für die vorhandenen sozialen Spannungen; sie hat aber parallel auch "bottom up" stattgefunden, was das Aufgreifen der Idee durch die betroffenen und interessierten Bürger und deren daraus entwickelte Aktivitäten betrifft.

Parallel dazu wurde eine Kooperation der Wohlfahrtsverbände und assoziierter Einrichtungen initiiert, eine zentrale Freiwilligenagentur zu schaffen und diese mit dem Wohnprojekt zu verknüpfen. Neu für Fürth ist daher:

  • Verbindliche Selbstorganisation der BewohnerInnen und deren bürgerschaftliches und interkulturelles Engagement für den Stadtteil
  • Öffnung der Gemeinschaftsräume des Wohnprojektes für die weitere Nachbarschaft und für Selbsthilfegruppen
  • Kombination des Wohnprojektes mit der zentralen Freiwilligenagentur für Fürth und der sozialen Einrichtung KULTURBRÜCKE der AWO mit angeschlossenem NETZWERK MIGRATION
  • Vernetzung mit dem Projekt MEHRGENERATIONENHAUS des Mütterzentrum Fürth e.V.

4. Ziele

Das Projekt will ein Verhaltensmodell schaffen, das sich an den Problemlagen und Notwendigkeiten des Quartiers orientiert und "best practice" für soziale Integration im Wohnbereich bildet.

  • Der Integrationsanspruch ist sehr hoch, wird aber durch die Lebensweltlichkeit gestützt.
  • Die positive Ausstrahlung auf den Stadtteil bekommt Multiplikatoren in den kooperierenden sozialen Einrichtungen.
  • Es soll ein Netzwerk weiterer gemeinschaftlicher Wohnprojekte im Quartier angeregt und mit aufgebaut werden, vor allem mit Migranten.

5. Maßnahmen / Verfahren

Das Projekt wurde 2005 angeregt und daraufhin mit einer Machbarkeitsstudie durch die "Soziale Stadt" gefördert. Die Machbarkeitsstudie besteht aus einem sozialplanerischen und einem architektonischen Teil. Die Ergebnisse sind nun Grundlage für die Förderanträge, die den Bewilligungsstellen seit November 2006 vorliegen. Der Umbau soll schnellstens beginnen, damit das Gebäude spätestens im Frühjahr 2008 bezogen werden kann. In der Zwischenzeit ist der Bewohnerverein weiter zu entwickeln und die Vernetzung mit den anderen Einrichtungen und ähnlichen Wohnprojektgruppen voranzutreiben.

6. Finanzierung / Förderung / Kosten

Die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen haben ein Volumen von knapp 3,1 Millionen €. Diese hohen Investitionskosten verdanken sich einerseits einer nachhaltig ausgerichteten, barrierefreien und energiesparenden Bauweise, andererseits aber der Tücke des Objektes. Durch die Heterogenität der Gebäude und die verschiedenen Funktionen hat man es nunmehr mit vier verschiedenen Förderarten zu tun:

Beim Wohnen:
Bayerisches Modernisierungsprogramm (Alt)
Einkommensorientierte Förderung (Neubau)
KfW-Energieeinsparprogramm (Ökologie)

Bei den Gemeinbedarfseinrichtungen:
Soziale Stadt ( Städtebauförderung )
Hier besteht noch eine Finanzierungslücke, die mit einer Unterstützung von ExWoSt für die Investitionen projektbezogener Gemeinschaftseinrichtungen mit 150.000 € weitestgehend ausgeglichen wäre. Auch die Projektbegleitung durch die Sozialplanung und der forschungsbedingte Mehraufwand während der nächsten Jahre müsste von ExWoSt übernommen werden (geschätzte Kosten: 150.000 € )

7. Projektstand

Die Baugenehmigung ist erteilt und die Förderanträge für den Umbau und die Modernisierung sind bei der Stadt und der Regierung von Mittelfranken gestellt. Die künftigen Bewohner haben sich als gemeinnütziger Verein formiert und treffen sich regelmäßig.

8. Akteure / Beteiligte

AWO Fürth e.V.
AWO Stiftung Soziales Engagement in Fürth
Bewohnerverein Anders Wohnen e.V.
Stadt Fürth Sozialreferat
Neue Kooperation Freiwillig Wofür
Mütterzentrum e.V. + Mehrgenerationenhaus

Ansprechpartner:
Geschäftsführung AWO Herr Wurst
Hirschenstraße 24
90762 Fürth
Tel. +49 911 89101602
gf@awo-fuerth.de

9. Gender-Relevanz

Für gemeinschaftliche Wohnformen interessieren sich immer noch mehr Frauen. Es muss also darauf geachtet werden, dass die Männer gleich beteiligt werden. In der Bewohnergruppe stellen die Männer derzeit zahlenmäßig ein Drittel. Das Engagement für das Projekt ist jetzt schon vergleichbar groß.

10. Wechselbeziehungen Wohnen / Freiflächen / Gemeinschaftseinrichtungen

Das Umnutzungskonzept für die Theresienstraße 30-34 sieht ein Kontinuum von Wohnnutzung, wohnprojektbezogenen Gemeinschaftsflächen und Gemeinbedarfseinrichtungen vor.Drehscheibenfunktion für die Kommunikation untereinander, mit der Nachbarschaft und dem Stadtteil kommt vor allem dem zentral gelegenen Gemeinschaftsraum im Neubau zu. Hier sollen entsprechende kulturelle Angebote (unter den BewohnerInnen gibt es zufällig viele Musiktalente) und Einladungen zu Veranstaltungen an andere Nachbarschaften und Gruppen im Umfeld ergehen und die offene Tür für das Modellvorhaben gepflegt werden.

11. Besondere Gemeinbedarfseinrichtungen

Im Haus sollen auch die zentrale Freiwilligenagentur für Fürth und Teile der Kulturbrücke untergebracht werden. Die Kulturbrücke ist eine Einrichtung der AWO Fürth-Stadt e.V., die Migrationserstberatung und Integrationskurse und Schulungen im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchführt. Außerdem hat sie interkulturelle Angebote v.a. für ausländische Mädchen und Frauen und das Hippy-Projekt, das Erziehungskompetenzen mit Müttern trainiert. Die neue Kooperation Freiwillig Wofür ist als Vermittlungsbörse der Wohlfahrtsverbände und anderer freier Träger geplant, die alle mit Freiwilligen arbeiten. Der erste dieser neuen Partner der Wohlfahrtsverbände wird das Mütterzentrum Fürth sein, das eines von 50 Pilotprojekten des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Programm "Mehrgenerationenhaus" ist. Hier gilt es wertvolle Synergien zu nutzen (zum Beispiel deren Organisationsstruktur über Intranet). Das MGH sucht Wohnprojekte als Netzwerkpartner im Quartier und das Wohnprojekt nutzt das MGH als Multiplikator für die Verbreitung der Idee integrierten Wohnens.

12. Weiterführende Informationen

Den Endbericht "Fürth - allen gerechtes Wohnen in der Theresienstr. 30-34" von Gerda Zeuss können Sie sich hier auch als barrierefreie PDF herunterladen.
Endbericht:Modellvorhaben Fürth:
Allen gerechtes Wohnen - Westliche Innenstadt
 (PDF, 1MB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)

Alle Modellvorhaben des Projekts

Liste der Modellvorhaben

Zugehörige Projekte

Diese Seite