Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Bayreuth: Stadtteil St. Georgen

Quartiers-Impulse: Neue Wege zur Stärkung der lokalen Wirtschaft

Lokale Wirtschaft

1. Ausgangslage, Gebietskulisse

Als ursprünglich eigenständige barocke Stadtgründung ist der Stadtteil St. Georgen historisch gewachsen. Das Quartier liegt am nördlichen Innenstadtrand und ist im zentralen Bereich vom weitgehend erhaltenen, barocken Straßenmarkt geprägt. Seit den 1980er Jahren hat sich die wirtschaftliche Struktur St. Georgens verändert, mit für den Stadtteil ungünstigen Folgen: Dadurch, dass insbesondere der Einzelhandel und die traditionell vorhandene, kleinteilige Produktion auf die grüne Wiese gezogen sind, hat der zentrale Bereich des Stadtteils im Laufe der 1980er Jahre seine Funktion als Produktions- und v. a. Einzelhandels- und Nahversorgungszentrum (B-Zentrum für Bayreuth) verloren. Im Zuge dessen hat sich die in der Nachbarschaft des historischen Zentrums liegende ehemalige Arbeitersiedlung Insel zum sozialen Brennpunkt entwickelt. Im Jahr 2000 ist der Stadtteil in das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt aufgenommen worden.

An den Quartiers-Impulsen waren folgende Akteure beteiligt: Projektträger sind die Baustadtverwaltung mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (GEWOG TES; auch Sanierungsträger des Gebiets) und die Wirtschaftsförderung. Koordinierungsstelle und Akteur vor Ort ist das Quartiersmanagement St. Georgen; Träger ist das Umweltzentrum Nürnberg. Die AG Lokale Ökonomie (Schirmherrschaft: Oberbürgermeister), an der weiterhin der Bürgerverein St. Georgen, Kulturkraft e.V. (Träger der "Schoko") sowie einzelne Gewerbetreibende (z.B. Immobilien Winkler, Kommunbrauerei Götschel) des Gebiets beteiligt sind, bildete das Beratungs- und Steuerungsgremium für die Quartiers-Impulse.

2. Ziele und Maßnahmen

Im Vordergrund stand der Ansatz Clusterbildung und -entwicklung. Gewerblich sollte St. Georgen eine Pointierung des Branchenprofils im Bereich kultureller, kreativer und touristischer (an die Tradition anknüpfender) Dienstleistungen erhalten. Dies sollte über drei zentrale Einzelmaßnahmen erreicht werden:

  • (a) Umnutzung der ehemaligen Schokoladenfabrik Schoko

    Mit der Belebung und Entwicklung der Schoko (ehemalige Schokoladenfabrik am Rande von St. Georgen) über den gemeinnützigen Verein Kulturkraft e.V. (2004 mit Unterstützung des QM gegründet) sollte auf drei soziale Defizite im Stadtteil gleichzeitig reagiert werden: die Abwanderungstendenz von jungen Menschen, deren fehlende sportliche Betätigungsmöglichkeiten, die zunehmende Verlagerung der Jugendkultur auf die Subkultur. Vor allem aber galt es, die lokale Wirtschaft im Stadtteil zu beleben. Neben den Bereichen Tradition, Kultur und Tourismus stehen die Entwicklungspläne für die Schoko in engem Zusammenhang mit dem Ziel der Entwicklung und Verfestigung eines Jugendsport und -kultur-Clusters sowohl in sozioökonomischer wie auch gewerblicher Hinsicht.

  • (b) Belebung des historischen Straßenmarktes

    Geplant war die Etablierung eines neuen Branchenprofils aus Tradition und neuen kulturellen, kreativen und touristischen Dienstleistungen. Dazu zählt die Unterstützung des Erben der Gastwirtschaft und Kommunbrauerei Götschel, der sich die Revitalisierung dieser Gewerbebrache zur Aufgabe gemacht hat, ebenso wie die Neuprofilierung des Straßenmarktes mit anderweitigen gewerblichen Nutzungen. Letzteres sollte über die Behebung der Leerstände durch gezielte Ansiedelung kultureller, kreativer und touristischer Dienstleistungsbetriebe und über die bauliche Umgestaltung des Straßenmarkts zu dessen weiterer Attraktivitätssteigerung, insbesondere auch für das lokale Gewerbe, erreicht werden.

  • (c) Förderung von Existenzgründungen

    Der dritte zentrale Maßnahmebaustein in St. Georgen war die Förderung von Existenzgründungen. Zielvorgabe war, St. Georgen für Bayreuth in ein bevorzugtes Gründerviertel zu entwickeln und ein Gründerzentrum in der städtischen Immobilie Gründervilla für junge Unternehmen aus den Bereichen kultureller, kreativer und touristischer Dienstleistungen zu schaffen.

3. Projektverlauf und -ergebnisse

  • (a) Umnutzung der ehemaligen Schokoladenfabrik Schoko

    Im Laufe der Quartiers-Impulse konnte für die Schoko zusätzlich das Landesprogramm Kooperationen gewonnen werden. Es handelt sich hierbei um ein im soziokulturellen Bereich angesiedeltes Förderprogramm für Bayern, das überwiegend investive Maßnahmen unterstützt. Damit konnten erhebliche Baumängel beseitigt werden, um die im Objekt geplanten sozioökonomischen wie gewerblichen Nutzungen in der Folge überhaupt erst zu ermöglichen. Dieser Erfolg führte dazu, dass mittlerweile die Gremien der Stadt in Erwägung ziehen, das Objekt zu erwerben und an die vorgesehenen Nutzer zu verpachten. Im Zuge dessen wurde Ende 2008 im Rahmen der Quartiers-Impulse ein fundiertes und realisierbares Nutzungs- und Bewirtschaftungskonzept erarbeitet. Für einzelne Teilprojekte ist es inzwischen gelungen, prominente Wirtschaftsakteure von Bayreuth als Sponsoren zu gewinnen, u.a. den Rotary Club und verschiedene Einzelfirmen. Geplant ist, diese Kontakte weiter auszubauen und ggf. das Engagement in der Gründung einer Stiftung zu bündeln, die später die Trägerschaft für den Betrieb der Schoko als Jugendsport, -kultur- und -kreativzentrum übernehmen könnte. Die Schoko beherbergt mittlerweile vielfältige soziokulturelle und jugendsportliche Nutzungen: Skater- und Bikergruppe (Träger: Kulturkraft e.V.), Jugendmusikschule und -theater, Galerie und Jugend-Café sowie eine Eventagentur. Die Ansiedlung weiterer gewerblicher Einrichtungen konnte auf Grund der noch nicht geklärten Eigentumsverhältnisse bisher noch nicht verwirklicht werden.

  • (b) Belebung des historischen Straßenmarkts

    In Verbindung mit dem Brannaburger Bürgerfest im Sommer 2007 konnte ein Ladenlokal für eine vorübergehende Nutzung durch die Mosaikwerkstatt der VHS hergerichtet werden. In der Folge konnte die Ladenfläche an eine hochwertige Küchenfirma vermietet werden. Auch eine Musikschule fand am Straßenmarkt eine neue Bleibe, ebenso ein Kostümverleih und ein Pianogeschäft. Von acht Leerstandsobjekten (2006) sind aktuell nur noch zwei vakant. Das Projekt "Kommunbrauerei Götschel" weist noch Finanzierungsdefizite auf. Das Gebäude des ehemaligen Quartiersmanagement- Büros ist zurzeit nicht neu belegbar, da es dort Erbauseinandersetzungen gibt. Im Bereich der baulichen Umgestaltung des Straßenmarkts gibt es große Verzögerungen in der Umsetzung. Hintergrund sind Konflikte mit den Anrainern, bei denen es um die Kostenumlage der Neugestaltung geht.

  • (c) Förderung von Existenzgründungen

    Besonders durch die Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten der Wirtschaftsförderung Bayreuth wurden im Rahmen der Quartiers-Impulse Existenzgründungsinitiativen nach St. Georgen gelotst und im Zuge dessen besonders gefördert. Gerade im Zusammenhang mit der Ansiedelung junger Unternehmen und Unternehmensgründungen mit Migrationshintergrund in St. Georgen hat sich die Zusammenarbeit mit BATISA (Beratungseinrichtung aus betriebswirtschaftlich-studentischen Kreisen mit überwiegend türkischem Migrationshintergrund) bewährt und konnte im Laufe der Quartiers-Impulse ausgebaut werden. Das Projekt Gründervilla konnte lange Zeit nicht angegangen werden, da das vorgesehene Gebäude durch Vornutzungen blockiert war. Jedoch ist inzwischen die obere Etage der Villa geräumt worden, um sie für Gründer in St. Georgen als Gründeretage auszubauen und zur Verfügung zu stellen. Die Leerstandsproblematik steht für St. Georgen auch im Zusammenhang mit der Kampagne Gründerviertel. Die Wirtschaftsförderung verfolgt das Ziel, mehr Bewegung in den gewerblichen Vermietungsmarkt für St. Georgen zu bringen. Dazu ist in Kooperation mit den vier vorhandenen Gewerbehöfen in St. Georgen die Einrichtung einer Standort(Eigentümer)-Gemeinschaft in Planung.

4. Fazit

Durch die Pilotaktivitäten zur Förderung der lokalen Ökonomie in St. Georgen im Rahmen der Quartiers-Impulse wurden Potenziale sichtbar und Vorgehensweisen salonfähig, die vorher nur als Spielwiese benachteiligter Schichten galten. Bei der Stabilisierung und Integration von Randgruppen im sozialen Bereich (Schoko, Migrantenunternehmen) hat sich ein Bottom-Up-Ansatz bewährt.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass in Bayreuth die Zusammenarbeit von kommunalen (Stadtverwaltung, Wirtschaftsförderung) wie privaten Akteuren (Quartiersmanagement, Unternehmen, BATISA) sehr engagiert, solidarisch, teils unkonventionell, aber immer reibungslos und ziel führend verlaufen ist.

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