Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen
Am 26. Juni 2015 fiel der Startschuss für die Modellvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus "Kleinstädte in peripheren Lagen". Die Modellvorhaben sollen die Entwicklung von Kleinstädten in peripheren Lagen fördern.
Im Rahmen eines zweistufigen Wettbewerbs- und Juryverfahrens wurden acht Modellvorhaben für das Forschungsfeld ausgewählt:
- Bad Lobenstein (Thüringen),
- Beverungen (Nordrhein-Westfalen),
- Großschönau (Sachsen),
- Kastellaun (Rheinland-Pfalz),
- Malente (Schleswig-Holstein),
- Mücheln (Sachsen-Anhalt),
- Rodewisch (Sachsen) und
- Zell am Harmersbach (Baden-Württemberg).
Vier weitere Städte, die am Verfahren teilnahmen, Boizenburg / Elbe (Mecklenburg-Vorpommern), Dahme / Mark (Brandenburg), Fürstenau (Niedersachsen) und Leutershausen (Bayern) beteiligen sich als assoziierte Kommunen am Erfahrungsaustausch des Forschungsfelds.
Die ausgewählten Kleinstädte standen stellvertretend für insgesamt 922 (Stand 2017) Kommunen dieses Stadt- und Lagetyps.
In den Modellvorhaben setzten die Kommunen mit den Akteuren vor Ort unter Begleitung der Forschungsassistenz eigene Zukunftsprozesse um. Wichtiger Bestandteil dieser Prozesse war die Erarbeitung von Szenarien. Diese Szenarien sollten Erkenntnisse liefern, wie Kleinstädte in peripheren Lagen ihre Potenziale bestmöglich nutzen und entwickeln können, um ihre wichtige Stabilisierungsfunktion für ihr Umland dauerhaft zu erfüllen. Die Ergebnisse konnten Rückschlüsse auf Erfolg versprechende und übertragbare Handlungsansätze sowie Stadtpolitiken liefern. Das heißt, andere periphere Kleinstädte konnten und können vom Erkenntnisgewinn der Modellvorhaben profitieren.
Lage der acht Modellvorhaben
Quelle: BBSR 2015, modifiziert durch FORUM, plan-werkStadt, DSK
Zur Pressemitteilung (Nr. 154/15 vom 26.06.2015) des BMUB zum Start und zur Auswahlentscheidung:
Bundesbauministerium unterstützt Entwicklung von Kleinstädten
Bad Lobenstein (Thüringen)
Luftbild von Bad Lobenstein
Quelle: Stadt Bad Lobenstein
Bad Lobenstein, im Südosten Thüringens, kann auf eine 150-jährige Tradition als Moorheilbad und Luftkurort zurückblicken. Die herausgearbeiteten Stärken der Kurtradition klug mit modernen Gesundheits- und Wellnessangeboten zu kombinieren und als Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten ist eines der Ziele, die sich aus der Arbeit im Modellvorhaben ergaben. Überregionale Bedeutung erlangte Bad Lobenstein mit seinem neuen Schulcampus. Seit dem Zukunftsprozess ist die Mitbestimmung der Schüler bei schulformübergreifenden Fragen in einem neu etablierten Campusrat gewährleistet.
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Beverungen (Nordrhein-Westfalen)
Luftbild von Beverungen
Quelle: Stadt Beverungen
Mit der Stilllegung des KKW Würgassen im Jahr 1997 verlor die Beverungen viele Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Heute ist die Stadt durch den Bau und die Betreibung von Windparks, Biogas- und Solaranlagen, Pumpspeicher- und Batteriespeicherwerke in interkommunaler Eigenregie auf dem Weg zu einer energieautarken Stadt. Das breit aufgestellte Veranstaltungs- und Kulturangebot erreicht nicht nur die Beverunger Bürger aller Generationen – die Stadt hat sich einen weit überregional reichenden Ruf erworben. Dieser wurde als ein wesentlicher Entwicklungskern ausgearbeitet.
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Großschönau (Sachsen)
Luftbild von Großschönau
Quelle: Gemeinde Großschönau
Im "Textildorf Großschönau" blickt man auf eine 350 Jahre währende lokale Textiltradition mit globalen Handelsbeziehungen zurück. Der Strukturbruch der Textilindustrie in den 1990er-Jahren hatte einen rapiden Arbeitsplatzabbau zur Folge und machte eine wirtschaftliche Neuausrichtung nötig. Die Textiltradition, das historische Ortsbild mit rund 660 denkmalgeschützten Umgebindehäusern sowie die Lage im Naturpark Zittauer Gebirge werden gezielt als Standortfaktor nicht nur für den Tourismus ausgebaut. Der historische Bahnhof der Stadt wurde zurückerworben und wird als Folge des Zukunftsprozesses umgebaut: der Jugendklub, eine Mobilitätszentrale und die Tourismusinformation sind Bestandteile des neuen Nutzungskonzeptes.
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Kastellaun (Rheinland-Pfalz)
Luftbild von Kastellaun
Quelle: Stadt Kastellaun
Unter dem Leitbild „Mehr-Generationenstadt“ entwickelte Kastellaun bedarfsorientierte Maßnahmen in der öffentlichen Infrastruktur und für das Wohnungsangebot aller Alters- und Bedarfsgruppen. Ziel war es, Kastellauns überörtliche Versorgungsfunktion als Mittelzentrum auszubauen, ohne die kleinteilige Handels- und Gewerbestruktur im Innenstadtbereich zu gefährden. Ein Leitprojekt aus dem Zukunftsprozess ist die Umgestaltung des zentralen Marktplatzes – als geplante Mischverkehrsfläche sollen Teilbereiche zukünftig stärker auch anderen Nutzungen zugänglich gemacht und die allgemeine Aufenthaltsqualität erhöht werden.
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Malente (Schleswig-Holstein)
Luftbild von Malente
Quelle: Gemeinde Malente
Malente, im Zentrum der Holsteinischen Schweiz, ist überregional als Gesundheits-, Kur- und Sportgemeinde bekannt. Der Strukturwandel im Gesundheitswesen und Tourismus führte seit den 1980er-Jahren jedoch zu stark sinkenden Gäste- und Übernachtungszahlen. Hinzu kamen eine deutliche Überalterung und wachsende Leerstände mit einhergehender Angebotsverschlechterung im Zentralort. Aus dieser Ausgangslage galt und gilt es, bestehende Potenziale attraktiv und zukunftsfähig zu entwickeln. Malente hat im Zukunftsprozess den ehemaligen Hotelkomplexes "Intermar" als architektonische und stadtbildprägende Landmarke wiederentdeckt. Die Umnutzung zum modernen Konferenz- und Tagungshotel für den Großstadtraum Kiel-Hamburg wurde als Leitprojekt entwickelt. Ebenso soll sich der in unmittelbarer Nähe liegenden Bahnhof und sein Umfeld zu einem Willkommenszentrum und als zukunftsweisende Mobilitätsdrehscheibe für Malente und sein Umland entwickeln. Derzeit steht die Stadt im Rahmen der städtebaulichen Zentrenentwicklung in Verhandlungen mit den Privateigentümern über den Erwerb des Bahnhofsgebäudes.
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Mücheln (Sachsen-Anhalt)
Luftbild von Mücheln
Quelle: Stadt Mücheln
Die Region prägte über viele Jahrzehnte der Braunkohletagebau. Das Ende der Kohleförderung ging für die Stadt Mücheln mit starken Bevölkerungs- und Arbeitsplatzverlusten einher. Neue wirtschaftliche Chancen bieten das Tourismus- und Freizeitpotenzial der Region. Gute Kinderbetreuungs-, Schul- und Freizeitangebote sowie die Modernisierung des Wohnungsmarktes machen Mücheln auch für junge Menschen zunehmend attraktiv. Ein zentrales Ergebnis des Zukunftsprozesses für Mücheln ist, zukünftig die Bürgerschaft aktiv in Entscheidungsprozesse der Stadtentwicklung einzubeziehen und die vielfältigen sozialen und wirtschaftlichen Initiativen besser zu verknüpfen.
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Rodewisch (Sachsen)
Luftbild von Rodewisch
Quelle: Stadt Rodewisch
Rodewisch ist hinsichtlich des Arbeitsplatzangebotes als auch Einrichtungen der Daseinsvorsorge außerordentlich gut ausgestattet. Dass über 2.000 Arbeitnehmer täglich einpendeln macht aber deutlich, dass das Wohnungsangebot und das Wohnumfeld nicht den Anforderungen vor allem der jungen Menschen und Familien gerecht werden. Der Zukunftsprozess half, die zahlreich brachliegenden Potenziale zu erkennen und gezielter zu nutzen. So wurde mit einer detaillierten Wohnbestands- und -bedarfsanalyse begonnen, mit der Sanierung und dem Umbau der „Alten Post“ Leerstand beseitigt und attraktiver Wohnraum in zentraler Lage geschaffen. Besonders erfolgreich war in Rodewisch auch die Jugendbeteiligung. Mit dem Wettbewerbsbeitrag „Neue Mitte selbstgemacht – Rowi-Park“ gewannen die Jugendlichen im Jahr 2017 den Landeswettbewerb „Ab in die Mitte – Die City-Initiative Sachsen“ und nutzten das Preisgeld für erste Umsetzungsschritte.
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Zell am Harmersbach (Baden-Württemberg)
Luftbild von Zell am Harmersbach
Quelle: Stadt Zell am Harmersbach
Zell am Harmersbach hat in den vergangenen Jahrzehnten ein stabiles Arbeitsplatz- und Bevölkerungswachstum erlebt und von seiner touristischen Attraktivität profitiert. Die demografische und ökonomische Situation ist verhältnismäßig gut. In jüngster Zeit verzeichnet Zell jedoch Einwohnerstagnation und erste Ladenleerstände. Die Stärkung der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt und das "Zulassen von Neuem unter Wahrung der Tradition" waren erklärte Ziele des Prozesses. Beispielhaft für den überaus erfolgreichen Zukunftsprozess gelten die vielseitigen neuen Freizeitangebote für Jugendliche in Zell, der Zusammenschluss der Vereine in einer Dachstruktur, die „kleinste temporäre Fußgängerzone“ in der Bundesrepublik und der Fortbestand vier aktiver Arbeitsgruppen über den Prozess hinaus.
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