Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Perspektiven für die Baukultur in Städten und Gemeinden – Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte

Ergebnisse

Die Landschaft der Gestaltungsbeiträte ist vielfältig und zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus. Die quantitativen Betrachtungen zeigen ein Instrument, das sich vor allem im städtischen Raum seit Jahren etabliert und gefestigt hat.

Die steigende Zahl der Gestaltungsbeiräte dokumentiert ein allgemein großes Interesse, aber auch ein wachsendes Engagement im Bereich der Baukultur. Sie konzentrieren sich räumlich vor allem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Als weiches, unter stark unterschiedlichen Rahmenbedingungen eingesetztes und entwickeltes Instrument unterliegen Gestaltungsbeiräte keiner einheitlichen Formalisierung. Sie eint dennoch das übergeordnete Ziel, Architektur und Stadtgestalt zu verbessern. Die Vielzahl und das stetige Wachstum der Zahl der Gestaltungsbeiräte und die Entwicklung zur Existenz von Sonderformen zeigt, dass das Instrument lebt und sich auch in bestehenden Verwaltungsstrukturen entwickelt.

In einem zweiten, detaillierteren Blick auf die Landschaft der Gestaltungsbeiräte in Deutschland zeigen sich eine große Vielfalt und deutliche kommunale Unterschiede in der Anwendung des Instruments. Bereits in der Namensgebung unterscheiden sich die Beiräte, ebenso wie in der Besetzung, der Anzahl der Mitglieder oder im Zeitpunkt der Hereingabe der Projekte in den Beirat. Auch die Frage öffentlicher oder nicht-öffentlicher Sitzungen handhaben die Geschäftsstellen und die Gestaltungsbeiräte ganz unterschiedlich. Die intensiv vor und während der Fachkonferenz betrachteten Fallbeispiele spiegeln diese Unterschiede wider. Die Sonderformen der Gestaltungsbeiräte zeigen, dass die mobilen, regionalen und temporären Beiräte bisher wenig bekannt sind und nur selten genutzt werden.

In der Landschaft der Gestaltungsbeiräte zeigen sich unterschiedliche kommunale Bedürfnisse, die zu den beobachteten vielfältigen Ausprägungen der Beiräte führen. Die besondere Konstellation der Zusammenarbeit von Architektin und Architekt, Verwaltung und Politik prägt die Vielfalt des Instruments. Die Akteurinnen und Akteure beraten im Gestaltungsbeirat kulturell-gesellschaftliche Anliegen jenseits alleiniger ökonomischer Bedingungen und vermitteln dies anschließend. Insofern besteht die Arbeit der Gestaltungsbeiräte im Wesentlichen in der Wahrnehmung und Vermittlung von Architektur und in der Beschäftigung mit besonderen Projekten, auf die Kriterien guter Gestaltung erst angewendet werden.

Trotz der großen Ausdifferenzierung der Landschaft der Gestaltungsbeiräte lassen sich Erfolgsfaktoren, Hürden und Hindernisse sowie Grenzen des Instruments erkennen. Der potenzielle Mehrwert der Gestaltungsbeiräte wird über wirkungsvolle Bausteine ihrer Arbeit und einen davon angestoßenen mittelfristigen Lernprozess erreicht. Dabei spielen die Bausteine "Beratung und Wissenstransfer", "Baukultur eine Sprache geben" und "Öffentlichkeit herstellen" eine zentrale Rolle. Neben deutlichen Synergien zeigen sich zwischen den Bausteinen auch Widersprüche in Grundverständnis und Arbeitsweise der Gestaltungsbeiräte. An dieser Stelle kann eine weiterführende Forschung ansetzen.

Empfehlungen für Kommunen

Das Instrument Gestaltungsbeirat kann auf kommunaler Ebene eingesetzt werden, um einem Bündel unterschiedlicher Bedürfnisse in Bezug auf die Stärkung und Aushandlung von Baukultur zu begegnen. Zugleich zeigen sich deutliche Potenziale für einen differenzierten Mehrwert dieser Gremien. Für die Anwendung des Instruments in den Kommunen lassen sich Empfehlungen auf vier Ebenen formulieren.

Einrichtung des Gestaltungsbeirats. Bevor eine Kommune einen Gestaltungsbeirat einrichtet, muss sie die Bedürfnisse in Verwaltung, Politik sowie weiteren Anspruchsgruppen und Öffentlichkeit sorgfältig ermitteln. Dabei gilt es auch, widersprüchliche Erwartungen und Konflikte zu identifizieren und zu klären. Grundlegende Fragen sind: Was soll der Gestaltungsbeirat leisten? Was soll mit dem Gestaltungsbeirat zukünftig besser erreicht werden, was heute weniger gut möglich ist? Welche baulichen Aufgaben stehen in der Kommune an? Wer soll mit der Arbeit des Gestaltungsbeirats unterstützt werden? Wenn die Zielsetzung geklärt ist, können das Instrument passgenau eingerichtet und auch die Mitglieder entsprechend der anstehenden Aufgaben ausgewählt werden.

Durchführung des Gestaltungsbeirats. Beratung und Wissenstransfer sollten in der Arbeit des Gestaltungsbeirats im Vordergrund stehen. Zu Beginn der Arbeit eines Gestaltungsbeirats empfiehlt es sich, mit wenig Öffentlichkeit zu starten, also eher mit öffentlichen Beratungen denn mit eigentlicher Öffentlichkeitsarbeit. Der geschützte Rahmen der Beratung sollte durch Begehungen um Ortskenntnis ergänzt werden. Es gilt, der Politik eine klare Rolle zuzuweisen, in dem Wissen, dass sie ein wesentliche Adressatin und Mitstreiterin ist, damit die Arbeit des Gestaltungsbeirats in der Praxis aufgenommen wird. Eine konstruktive Zusammenarbeit und zugleich Arbeitsteilung zwischen Gestaltungsbeirat und Verwaltung ist wesentlich.

Flankieren mit anderen Maßnahmen. Für den Gestaltungsbeirat ist ein passendes Umfeld wichtig, das mit flankierenden Maßnahmen gestärkt werden kann. Dazu zählt eine ergänzende Öffentlichkeitsarbeit, die den Gestaltungsbeirat bekannt macht und Erfolge kommuniziert. Zugleich gilt es auszuloten, welches Bedürfnis in der Kommune besteht, öffentlich über Baukultur zu diskutieren oder auch das Thema Baukultur stärker in die Öffentlichkeit zu rücken. Darauf aufbauend können passende Angebote entwickelt und auch Partnerschaften gesucht werden, welche die Arbeit des Gestaltungsbeirats unterstützen und das Gremium zugleich nicht überfordern. Beratungsresistente Architekten und Bauherren könnten an runde Tische gebeten oder in Workshops eingebunden werden. Auch ist es hilfreich, das Selbstbild der Kommune zu schärfen. Dies ist eine wichtige Grundlage, um Stadtgestalt und Alltagsarchitektur zu bewahren und fortzuentwickeln. Zugleich sollte der Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen gepflegt werden.

Evaluieren und Fortentwickeln. Organisation, Arbeitsweise und Einbettung des Gestaltungsbeirats sollten in einem passenden Zeitraum reflektiert und im Falle veränderter Aufgaben und Bedürfnisse angepasst werden können. Ein Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen Kommunen sowie mit Verbänden und Initiativen der Baukultur kann dabei unterstützend wirken. Anpassungen sollten als positive Lernprozesse und Weiterentwicklung, und nicht als Fehler wahrgenommen werden.

Empfehlungen für Bund, Länder und Verbände

Gestaltungsbeiräte sind in der Regel in den Kommunen verankert. Die Beratung bezieht sich auf Planungen und konkrete Bauvorhaben, die im Rahmen der Planungshoheit der Stadt oder Gemeinde zu entscheiden sind. Dennoch zeigt sich deutlich, dass Bund, Länder und Verbände, aber auch temporäre und mobile Gestaltungsbeiräte mit einem regionalen Bewusstsein Aufgaben übernehmen können, welche die lokalen Gremien fördern.

Dialogplattformen und Erfahrungsaustausch. Die Fachtagung in Mannheim hat gezeigt, dass die Kommunen und die verschiedenen Verantwortlichen den Austausch rund um Gestaltungsbeiräte sehr schätzen. Gerade aufgrund der vielfältigen lokalen Ausprägungen des Instruments besteht ein großer Bedarf, die jeweiligen Erfahrungen, aktuelle Herausforderungen sowie auch Perspektiven der Weiterentwicklung des Gremiums Gestaltungsbeitrat überkommunal zu erörtern.

Vernetzung baukultureller Angebote. Die Einbettung der Arbeit von Gestaltungsbeiräten in ein Netzwerk baukulturell interessierter sowie engagierter Verbände, Vereine und Initiativen hilft auf lokaler Ebene. Aber auch interkommunal sowie auf der Ebene von Ländern und Bund ist die Vernetzung baukultureller Angebote von Bedeutung. Das Bedürfnis nach Raum für Diskussion über Baukultur ist in der Arbeit von Gestaltungsbeiräten deutlich zu erkennen. Das Instrument kann gestärkt und zugleich auch entlastet werden, wenn dieses Bedürfnis in anderen baukulturellen Formaten Platz findet.

Weitere Ergebnisse finden Sie im Endbericht des Forschungsprojektes.

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