Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Kostengünstige und qualitätsbewusste Entwicklung von Wohnungsobjekten im Bestand

Auftakt für die Modellvorhaben

Am 25. April 2006 fand die Auftaktveranstaltung zu den sechs Modellvorhaben „Kostengünstige und qualitätsbewusste Entwicklung von Wohnungsobjekten im Bestand" in Marbach am Neckar statt.

Eröffnet wurde die Fachveranstaltung in der Stadthalle von Marbach durch Prof. Dr. Strubelt, Vizepräsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Er wies in seinem Vortrag darauf hin, Erfahrungen aus den Programmen „Stadtumbau Ost“ und „Stadtumbau West“ hätten gezeigt, dass Einzeleigentümer von kleinen Wohneinheiten nur schwer in die Prozesse einzubinden sind. Deshalb komme es darauf an, Strategien zu entwickeln, wie neben den großen Wohnungsunternehmen auch private Einzeleigentümer für den Stadtumbau gewonnen werden können. Im Stadtumbau gehe es neben dem Abriss von Wohnungen auch um die Aufwertung des Wohnungsbestandes.

Herr Pötzsch, der Bürgermeister der Stadt Marbach, stellte in seinem Grußwort den Bezug her zu Friedrich Schiller, der in Marbach geboren worden ist. Bis heute erwachsen für die Stadt aus diesem Erbe bürgerschaftliches Engagement und eine Vielzahl von Veranstaltungen und Aktivitäten. Jüngstes Beispiel ist die ambitionierte architektonische Gestaltung des Literaturmuseums der Moderne, welches von der Stadt neben dem Schiller-Nationalmuseum nach einem Entwurf von David Chipperfield errichtet worden ist.

In ihrer Rede "Bestandsentwicklung im Wohnungsbau – Eine Zukunftsaufgabe für die Stadtentwicklung" strich die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Karin Roth, die Fortentwicklung der Wohnungsbestände als wachsende Aufgabe der Stadtentwicklungspolitik heraus. Aufgabe des Bundes sei es, die Rahmenbedingungen für eine Verbesserung der Wohnqualität in der Stadt zu schaffen. Das Wohnen in der Stadt solle für alle Generationen attraktiver gemacht werden. Eine starke Bindung an das Lebensumfeld stärke den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Darauf zielten auch andere Bemühungen wie beispielsweise das Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt". Im Forschungsfeld Kostengünstige und qualitätsbewusste Bestandsentwicklung gehe es allgemein um eine Stärkung des Eigentums und speziell um eine Hilfestellung für die Einzeleigentümer bei der kostengünstigen und qualitätsvollen Weiterentwicklung ihrer Bestände.

Herr Dr. Renner vom Innenministerium Baden-Württembergs begrüßte, dass gleich zwei Städte des Landes am Forschungsvorhaben teilnehmen. Er wertete das als Ausdruck der Fähigkeit baden-württembergischer Kommunen ihre städtebauliche Zukunft aktiv zu gestalten. Das Land unterstütze dies durch eine vorausschauende Städtebaupolitik, in der rein wachstumsorientierte Vorstellungen überdacht und aktuell auf Umstrukturierung, Neuordnung und Anpassung ausgerichtete Ziele gesetzt werde. Im Interesse eines sparsamen Bodenverbrauchs gäben der Landesentwicklungsplan und die Regionalpläne der Siedlungsentwicklung dem Bestand den Vorrang. Um den Zielkonflikt zwischen sparsamer Baulandausweisung und niedrigen Baupreisen zu bewältigen, müsse allerdings ein intelligentes Flächenmanagement hinzukommen. Nachdem das Land bei der Förderpolitik in den 1980er und 1990er Jahren erfolgreich auf die Aufwertung, Strukturverbesserung und Revitalisierung von Stadt- und Ortskernen gesetzt habe, stände heute die Nutzung von Brachflächen im Vordergrund. Verstärkte Innenorientierung und Verzicht auf Flächenexpansion setze aber auch einen Bewusstseinswandel bei den Akteuren voraus. Dafür habe das Land Baden-Württemberg ein Bündnis mit den Städten, Verbänden, Banken und Kammern ins Leben gerufen. Durch Modellvorhaben, Wettbewerbe, Studien und weitere Initiativen versuche das Land zusätzliche Impulse zu geben.

Herr Gabi vom Leipziger Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung zeigte zunächst anhand der Daten des Monitoringberichts 2005, dass der Leerstand in Leipzig insbesondere im Segment der vor 1918 errichteten Wohngebäude zurückgegangen ist. Dies sei auf eine intensive Bestandspolitik der Stadt Leipzig zurückzuführen. In einer ersten Phase der Stadterneuerung zwischen 1992 und 2000 habe man durch das Modell der Beraterarchitekten insbesondere lokale Vermieter und „Leipziger Alteigentümer“ angesprochen. In Weiterentwicklung eines Frankfurter Modells wurde eine Grund- und eine Intensivberatung angeboten. Sanierungstipps wurden in einer Publikationsreihe weitergegeben. Die Effekte seien Substanzsicherung, ein Beitrag zur Qualität und eine Stärkung der lokalen Eigentümer gewesen. In der aktuellen Phase der Stadterneuerung schloss sich das Leipziger Selbstnutzermodell an. Dies versteht sich als Weiterführung der behutsamen Stadterneuerung und will Interessierte durch unterschiedliche Vermarktungsmethoden (Immobilienmesse, Handelsbörse, Selbstnutzertreff, Besichtigungstouren) an geeignete Objekte heranführen. Nutzergruppen wird Hilfe durch Beratung und Moderation zuteil. Inzwischen wagt man sich in einem EU-geförderten Projekt (UTN II) auch an komplexere bauliche Aufgaben. Im Ergebnis würden die praktischen Erfolge zeigen, dass eine Anpassung von Bestandsimmobilien auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist und dass hierbei Impulse durch die öffentliche Hand hilfreich sein können.

Frau Lorenz-Hennig vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) gab einen Überblick über die Zielstellung der Modellvorhaben "Kostengünstige und qualitätsbewusste Entwicklung von Wohnungsobjekten im Bestand". Anhand der langfristigen Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung werde die zunehmende Bedeutung des Wohnungsbestandes für die Wohnraumversorgung deutlich. Zugleich zeige sich, dass der Wohnungsbestand an veränderte Nutzerbedürfnisse angepasst werden müsse, um seine Marktfähigkeit zu erhalten. Bei der Weiterentwicklung einer Immobilie komme es maßgeblich auf die Verwertungsinteressen der Eigentümer an. Zudem müsse die Angemessenheit und Wirtschaftlichkeit von Investitionsmaßnahmen gebührend berücksichtigt werden. Zwischen dem Interesse der Kommunen zur Entwicklung zukunftsfähiger Stadtstrukturen und dem Interesse der Eigentümer nach Investitionssicherheit gelte es einen fairen Ausgleich zu schaffen. Als wichtigste inhaltliche Erträge des Modellvorhabens erwartet sie Erkenntnisse über die Marktfähigkeit von Bestandsimmobilien, Erfolg versprechende Ansätze zur Sicherung städtebaulicher Strukturen, akzeptierte Ansätze zur Motivation und Aktivierung von Eigentümern, zielführende Ansätze zur Moderation und Organisation des Transformationsprozesses sowie tragfähige Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Kostensicherheit. 

Herr Dr. Aehnelt vom IfS erläuterte anhand von Angaben des Statistischen Bundesamtes die Strukturmerkmale der Wohnungsbestände, auf die das Modellvorhaben abzielt. Rund 10 Millionen Einfamilienhäuser, 7 Millionen Zweifamilienhäuser und 17 Millionen Wohngebäude mit 3 bis 12 WE stellen über 80 Prozent des Wohnungsbestandes dar. Einzeleigentümern gehören fast alle Ein- und Zweifamilienhäuser, bei den Mehrfamilienhäusern ist es etwas mehr als die Hälfte. Es handelt sich also um ein sehr breites und heterogenes Marktsegment, von dem die Modellvorhaben nur einige bauliche Typen und nur einige Eigentümergruppen abbilden können. Die objektbezogenen Anpassungsstrategien ebenso wie die objektübergreifenden Ansätze seien allerdings für eine kommunale Stadtentwicklungspolitik von hohem Interesse, da die bestandsorientierte und damit auf Konsensbildung mit privaten Akteuren angewiesene Planung an Relevanz gewinnen werde.

Die folgenden Darstellungen der sechs Modellvorhaben zeigten für die Einfamilienhaussiedlungen aus den 1950er Jahren (Gießen und Marbach) die aktuellen und perspektivischen Anpassungserfordernisse, aber auch die Schwierigkeiten ihrer Inangriffnahme auf. In Lauffen und Kaufbeuren steht in den ersten Schritten der Projekte ein Screening an, die allgemeine Information und schließlich die individuelle Beratung der Eigentümer in den Gebieten folgt. In Chemnitz, wo eine Agentur neue Nutzergruppen mit Eigentümern zusammenbringen will, möchten die Interessierten im Unterschied zum Leipziger Selbstnutzermodell die neuen Kooperationsformen auf Mietbasis realisieren.

In der abschließenden Podiumsdiskussion beklagte Herr Wullkopf vom IWU, dass bei der Diskussion bisher eine ökonomische Prognose zu kurz gekommen sei. Einerseits sei die Frage, wohin sich der Flächenkonsum entwickle, nicht befriedigend berücksichtigt worden. In Deutschland, so schätzte er ein, würden insbesondere die Bestände der 1950er und 1960er Jahre nicht marktfähig sein. Die Arbeiter, für die man die Werkswohnungen in den 1950er Jahren gebaut habe, gebe es nicht mehr. Es gehe darum, die Angebotsseite an die Nachfrage anzupassen. Wenn man eine ökonomische Prognose in die Betrachtung einbeziehe, müsse man auch an die Bezieher von Hartz IV und an Altersarmut denken. Dies führe zu einer stärkeren Ausdifferenzierung des Angebots. Märkte in anderen Ländern wie beispielsweise Holland würden durch Abriss und Hochmodernisierung auf die Veränderungen der Nachfragestrukturen reagieren. Frau Krings-Heckemeier von empirica unterstützte die Überlegungen zum Flächenkonsum und ergänzte zu den Beständen aus den 1950er Jahren, dass deren attraktive Lagen und großzügige Grundstückszuschnitte den Abriss ökonomisch sinnvoll erscheinen lassen könnten. Auch unter gesamtstädtischer Sicht könne ein Ensemble gewinnen, wenn an Einzelstandorten abgerissen wird. Dieser Position wurde in der Diskussion entgegen gehalten, dass dann statt Anpassung der Bestände den Eigentümern das Abwohnen der Gebäude und der spätere Verkauf des Grundstücks empfohlen werden müsse. Es wurde allerdings auch deutlich, dass der Preis für eine solche Vorgehensweise zwangsläufig die Bildung sozialer Problembereiche ist. Das dürfte letztlich die Werthaltigkeit der Grundstücke in Frage stellen und ist zudem stadtpolitisch ein höchst unerwünschter Effekt. Unumstritten ist, dass soziales Management bei der Bestandsanpassung als unverzichtbar gilt.

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