Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Südniedersachsen als Generationen-Netzwerk - Modellplannung zur generationsübergreifenden Infrastrukturentwicklung

Innovative Projekte zur Regionalentwicklung - Infrastruktur und demographischer Wandel

Angesichts des zu erwartenden stark veränderten Altersaufbaus sollte ein zukunftsfähiges Netz von Agenturen entwickelt werden, die geeignet sind, flächendeckend generationenübergreifende Dienste (Bildung, Freizeit, Gesundheit) zu initiieren und zu koordinieren.

Intergenerative Infrastruktur Südniedersachsen

Zentrales Anliegen des Aktionsforschungsprojektes in Südniedersachsen ist die Untersuchung von Strategien und Instrumenten zur Entwicklung der öffentlichen Daseinsvorsorge, die den Auslösern negativer demographischer Trends entgegenwirken können. Für den Untersuchungsraum, die Raumordnungsregion 24 (Göttingen), ist diese Thematik von besonderem Interesse, weil hier Alterung und Rückgang der Bevölkerung schon weiter fortgeschritten sind und damit dem Bundestrend um etwa ein Jahrzehnt voraus. Die demographische Problematik stellt hier die Regionalpolitik bereits heute vor strategische Herausforderungen, deren modellhafte Bearbeitung nicht nur der nachhaltigen Zukunftsgestaltung in der Region selbst dienen, sondern auch zu übertragbaren Erkenntnissen für andere Regionen führen soll. Der Forschungsansatz orientiert sich an den spezifischen raum-zeitlichen Prognosen für die Modellregion:

  • Aus der gegenwärtigen Mehrheit der Jüngeren (2002: 55,6% unter 45 Jahre) wird zukünftig die Minderheit (2020: 47,5%). Die Älteren werden dann die Mehrheit bilden.
  • Gegenwärtige lebt die Mehrheit der Bevölkerung in peripheren ländlichen Regionsteilen (2002: 54,2%). 2020 werden es nur noch 50,8% und längerfristig wohl eine Minderheit sein. Die Mehrheit wird dann im verstädterten Kernraum leben.

Infrastrukturgestützte Gestaltung des Generationenwandels am Beispiel Südniedersachsen

Nicht die zukünftige Entwicklung von Alter und Menge der Bevölkerung wird also das Problem sein, sondern die enormen Verschiebungen der Generationen- und der Teilraumgewichte, die den sozialen Zusammenhalt in der regionalen Gesellschaft zu gefährden drohen. Ausgelöst durch das Modellvorhaben beschäftigen sich die Region und hier insbesondere die Kommunen intensiv mit der Frage, ob und wie das räumlich-funktionale Gleichgewicht unter diesen Aspekten nachhaltig gewährleistet werden kann. Die strategischen Überlegungen richten sich auf haushaltsnahe Infrastrukturen, die zur Gestaltung des Generationenwandels instrumentalisiert werden können. Sie zielen auf

  • die quantitative Zusammensetzung der Generationen durch Erhöhung der Geburtenrate, Steigerung der Bildungs- und Erwerbszuwanderung und der Altenzuwanderung sowie
  • den qualitativen Zusammenhalt der Generationen durch Bildung und Ausbildung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Aktivierung und Pflege Älterer.

In vier Modellgemeinden wurden dazu geeignete Lösungsmodelle erprobt. Sie bilden das Spektrum der altersspezifischen Infrastrukturformen von der Jugend- über die Familien- bis zur Altenhilfe ab. Mit Hilfe moderierter Projektwerkstätten wurden ihre generationsintegrierenden Potenziale untersucht und in innovative Modelle umgesetzt:

  • Zum einen wird Infrastruktur zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie untersucht. In der Gemeinde Gleichen gelang es, in einem intensiven Planungsprozess mit allen Beteiligten bedarfsgerecht die Betreuungszeiten in den Kindertagesstätten an die Arbeitszeiten berufstätiger Eltern anzupassen. Das Mütterzentrum in der Stadt Hardegsen hat sein Selbsthilfeangebot auf die ältere Generation ausgeweitet und sich damit zum generationsübergreifenden "Familientreff" entwickelt.
  • Zum anderen wird Infrastruktur zur Aktivierung von Gemeinschaftspotenzialen untersucht. In einem Volkshochschulkurs in Holzminden wird eine Moderationsschulung für den Generationendialog durchgeführt. In den Gemeinden Walkenried und Bad Sachsa wird eine "Bürgerbörse" zur Vermittlung ehrenamtlicher Betätigung insbesondere Älterer zur Stärkung des Gemeinschaftslebens gegründet.

Die instrumentellen Ansätze in den Projektwerkstätten dienen als „Bausteine“ für eine generationsübergreifende Konzeption der sozialen Infrastruktur auf Gemeindeebene. Dazu müssen funktionale und institutionelle Schranken durch innovative Vernetzung überwunden werden. Dies konnte im Rahmen des Modellvorhabens durch die Verknüpfung mit übergeordneten Initiativen erfolgreich erreicht werden:

  • "Lokale Bündnisse für Familie" - eine familienpolitische Netzwerkinitiative des Bundesfamilienministeriums - haben sich in einer Reihe von Gemeinden formiert. Im Vordergrund dieser Strategie steht die Koordination von Familien- und Arbeitsmarktpolitik vor Ort.
  • "Mehrgenerationenhäuser" - ein mittlerweile auf Bundesebene ausgeweitetes Konzept des Niedersächsischen Sozialministeriums - wurden von mehreren Gemeinden in der Form von Familien- / Generationenzentren eingerichtet. Kennzeichen dieses innovativen Modells ist die Kooperation von Familienselbsthilfe und Freiwilligenengagement unter einem Dach.

Parallel zum Modellvorhaben hat sich ein "Netzwerk Generationendialog Südniedersachsen" aus verschiedenen Initiativen zur Jugend-, Familien- und Altenarbeit zusammengefunden. Es fördert den Erfahrungsaustausch und die Strategieentwicklung durch regionsweite Veranstaltungen. In diesem Sinne wird auch eine weiterführende Vernetzung der mittlerweile entstandenen familien- und generationenpolitischen Bündnisse und Zentren in der Region Südniedersachsen angestrebt.

Das Modellvorhaben hat zum strategischen Umdenken bei vielen Gemeinden beigetragen. Als Instrument einer "demographiefesten" Entwicklung wird mittlerweile weniger das Wohnungsangebot sondern mehr das Infrastrukturangebot zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie und zur Stärkung des Gemeinschaftslebens favorisiert. Dieser Prozess wurde unterstützt durch die Entwicklung eines "Leitbildes zur Bevölkerungs- und Infrastrukturentwicklung in Südniedersachsen". Mit Hilfe des so genannten Delphi-Verfahrens wurden etwa 700 repräsentative Träger und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur nach ihren demographischen Strategien befragt. Die mit den standardisierten Antworten präferierten Einschätzungen lassen auf ein ausgeprägtes Problembewusstsein und eine hohe Innovationsbereitschaft schließen. Noch nicht gelungen ist es, in den regionalpolitischen Gremien (zum Beispiel den Kreistagen) eine Beschlussfassung über das Leitbild zu erreichen.

Das in dem Modellvorhaben untersuchte Thema der Gestaltung des Generationenwandels durch generationsübergreifende Infrastruktur ist in breitem Maße übertragbar. Unterstützende Dienstleistungen für "Work-Life-Balance" erweisen sich als dringendes Erfordernis einer zukunftsorientierten Regionalentwicklung - auch im Standortwettbewerb um junge Bevölkerung. Das dazu ausgearbeitete Modell eines Netzwerkes sowie eines Zentrums familienbezogener Dienste (zum Beispiel Familienzentren Uslar, Bodenfelde und Hardegsen) ist auf die infrastrukturelle Grundversorgung in den meisten Nahbereichen übertragbar. Unter dem Begriff "Mehrgenerationenhaus" ist es Bestandteil der demographiepolitischen Strategie der neuen Bundesregierung.

Projektträger des Modellvorhabens war der Regionalverband Südnierdersachsen e.V. Ansprechpartner im BBR war Hans-Peter Gatzweiler.

Alle Modellvorhaben des Projekts

Liste der Modellvorhaben

Zugehörige Projekte

Diese Seite