Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Globale urbane Transformation: Einbindung von New Urban Agenda, SDGs und Pariser Klimaschutzabkommen in die kommunale und nationale Stadtentwicklung in Deutschland

Ergebnisse

Planungswerkstätten mit deutschen und europäischen Kommunen

Zwischen April 2018 und Mai 2019 fanden insgesamt drei Planungswerkstätten mit deutschen und europäischen Kommunen statt. Die Diskussionen zeigten, dass die meisten Kommunen, die am Projekt teilnahmen, bereits Prozesse zur Entwicklung und Umsetzung lokaler Transformationsansätze und Nachhaltigkeitsstrategien angestoßen haben. Die Art und Weise, wie sie sich dabei auf die Agenden beziehen, variiert jedoch stark. Für manche sind sie Grundlage und Rahmen strategischer Leitbildentwicklung, andere nehmen nur randständig Notiz von ihnen.

Für viele Kommunen ist der Mehrwert der Agenden jedoch nicht sofort ersichtlich und birgt in der Anwendung zahlreiche Schwierigkeiten. So empfinden die Kommunen die Übersetzung der abstrakten Ziele in den lokalen Kontext als große Herausforderungen. Sie können den Mehrwert der Agenden für lokale Transformationsansätze oft nur schwer innerhalb der Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft vermitteln und Entscheidungsträger überzeugen. Mangelnde politische Unterstützung sowie eine anhaltende politische Fragilität sind weitere Hindernisse für die lokale Umsetzung. Ein weiteres Konfliktfeld zeigt sich in der verwaltungsinternen Zuständigkeit für globale Agenden und die damit einhergehende Deutungshoheit. Zudem ist die vielfältige Agendalandschaft mit ihren unterschiedlichen Zielen und Anforderungen komplex und unübersichtlich. Hier fehlt es vielerorts an Unterstützung bei der Übersetzungsarbeit sowie der Aufarbeitung von Verknüpfungen und Synergien zwischen den Rahmenwerken.

Auf nationaler und europäischer Ebene gibt es zwar bereits zahlreiche Initiativen, Instrumente und Mechanismen, die Städte bei der Anwendung und Umsetzung globaler und europäischer Agenden unterstützen. Die derzeitige Unterstützungslandschaft erzielt jedoch noch zu wenig Durchschlagkraft auf der Umsetzungsebene. Die Gründe hierfür lassen sich oftmals zurückführen auf das fehlende Wissen um bestehende Angebote, die Unübersichtlichkeit der Unterstützungslandschaft sowie die Tatsache, dass nicht alle Typen an Kommunen (insbesondere kleinere Kommunen) von diesen Angeboten profitieren können.

Insgesamt wurde deutlich, dass die Rahmenbedingungen für Kommunen verbessert und ihre institutionellen, finanziellen und personellen Kapazitäten gestärkt werden müssen, um sie als Partner im Umsetzungsprozess der Agenden zu befähigen. Kommunale Nachhaltigkeitsbestrebungen und -innovationen erfordern einen klaren politischen Rahmen sowie Förderprogramme, die durch finanzielle Anreizsysteme und eine mittel- bis langfristige Perspektive lokale Transformationsvorhaben mit Agendabezug fördern. Zentral ist zudem ein stärkerer Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen sowie Weiterbildungs- und Beratungsangebote für kommunale Akteure zur Sensibilisierung, Vermittlung und Anwendung der Agenden.

Die Gestaltung und Wirkung lokaler Transformationsprozesse wirft zudem noch viele Fragen auf. Um diese Prozesse besser zu durchdringen und zu unterstützen, braucht es neue Kooperationsformate zwischen Wissenschaft und Praxis, Multiakteurspartnerschaften sowie eine stärkere Verankerung der globalen Agenden und Nachhaltigkeitsziele in der Lehre und in den Verwaltungen von Bildungs- und Forschungseinrichtungen.

Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Nationalen Stadtentwicklungspolitik

Für die Nationale Stadtentwicklungspolitik ergeben sich aus den Projektergebnissen drei übergeordnete Handlungsbereiche, um die praktischen Erfahrungen von Kommunen im Umgang mit den globalen und europäischen Agenden aufzugreifen und sie als Partner im Umsetzungsprozess zu stärken.

Rahmenbedingungen für die Handlungsfähigkeit von Kommunen optimieren

Grundsätzlich gilt es, die Rahmenbedingungen für Kommunen bei der Umsetzung globaler und europäischer Agenden zu optimieren. Ein wichtiges Augenmerk sollte dabei auf der Förderung kapazitätsaufbauender Vorhaben liegen. Denkbar sind hier der Aufbau einer zentralen Anlaufstelle für Kommunen, die relevante Informationen und Beratungsangebote zur Gestaltung lokaler Transformationsprozesse bereithält; die Förderung eines strukturieren und fortlaufenden Wissens- und Erfahrungsaustauschs zwischen Kommunen; der Ausbau der akteursübergreifenden Zusammenarbeit zu Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung sowie die Ergänzung bestehender Förderprogramme durch finanzielle Anreizsysteme und Vergabekriterien mit Agendabezug.

Wissenschaft und Praxis: Kooperationen und Partnerschaften ausbauen

Um lokale Transformationsprozesse besser zu durchdringen und damit zielgerichteter unterstützen zu können, braucht es außerdem eine stärkere Verzahnung von Wissenschaft und kommunaler Praxis. Hierfür sollten innovative Kooperationsformate und Partnerschaften an der Schnittstelle erprobt sowie der Wissenstransfer verbessert werden.

Profil und die Anpassungsfähigkeit der Nationalen Stadtentwicklungspolitik stärken

Um die Nationale Stadtentwicklungspolitik als Dachmarke für Urbanität zu etablieren, muss ihre Strahlkraft und Integrationsfähigkeit mithilfe neuer Formate und Schnittstellen gestärkt werden. Das kann beispielsweise durch eine stärkere Rolle als Informationsvermittler sowie Beteiligungs- und Umsetzungsinstrument gelingen. Insbesondere die Webseite der Nationalen Stadtentwicklungspolitik ließe sich als zentrales Leitmedium ausbauen, Kommunen könnten als Navigationshilfe für nationale Förderprogramme oder Gute-Praxis-Beispiele dienen. Ebenso muss die Anpassungsfähigkeit der Nationalen Stadtentwicklungspolitik gegenüber neuen Trends und Herausforderungen durch regelmäßige Evaluationen erhöht werden.

Empfehlungen für die Fortschreibung der Leipzig-Charta und Städteagenda für die EU

Auch für die europäische Ebene lassen sich konkrete Handlungsmöglichkeiten ableiten. Aufgrund der gegenwärtigen dynamischen Phase der Neuformulierung der Leipzig-Charta und der Städteagenda für die EU muss jedoch – insbesondere bei den Unterstützungsmechanismen zur Stärkung der Umsetzungsebene - die politische Anschlussfähigkeit der Empfehlungen geprüft werden.

Angesichts der bestehenden Vielzahl von Agenden muss die Neuauflage der Leipzig Charta einen deutlichen Mehrwert bieten und bestehende Lücken in der komplexen Agendalandschaft schließen. Dies wäre beispielsweise gegeben, wenn es die neue Leipzig-Charta schafft, als Bindeglied verschiedener globaler und europäischer Agenden zu fungieren, indem sie die unterschiedlichen Zielvereinbarungen in ihren Schlüsselprinzipien zusammenführt. Sinnvoll wäre hierbei ein Fokus auf die Prinzipien: integrierte Stadtentwicklung, verbesserte Rahmenbedingungen für Kommunen, Multi-Akteurs-Partnerschaften als Handlungspraxis sowie eine stärkere globale Verantwortung durch internationale Kooperationen und überregionalen Austausch.

Darüber hinaus wäre es auf EU-Ebene wichtig, die bestehenden Unterstützungsangebote und -mechanismen für die lokale Umsetzung von Agenden stärker aufeinander abzustimmen und zusammenzuführen, sowie um weitere kapazitätsaufbauende Maßnahmen für Kommunen und Multiplikatoren zu ergänzen. Konkret wäre beim Aufbau von regionalen Weiterbildungs- und Trainingszentren unter dem Dach von URBACT zu prüfen, welche Kommunen bei der Gestaltung lokaler Transformationsprozesse unter Bezugnahme globaler und europäischer Agenden unterstützen und einen Überblick über bestehende Unterstützungsangebote geben können. Auch die Etablierung eines Urban-Erasmus-Programms für europäische Kommunen sowie die Stärkung von Städtenetzwerken als Wissensträger für lokale Umsetzungsprozesse wären wichtige Maßnahmen.

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