Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 06.12.2009 Innovative Baustoffentwicklungen

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Als Konsequenz der geforderten Erhöhung der Energieeffizienz bei der Heizung und Kühlung von Gebäuden mit dem Ziel der Senkung des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen und der Verminderung des CO2-Ausstoßes wurden in den vergangenen Jahren innovative wärmespeichernde und -dämmende Verbundbaustoffe entwickelt.

Fachbeitrag: 2009

Wichtige innovative Baustoffentwicklungen sind:

  1. Verbundbaustoffe mit Latentwärmespeichervermögen (PCM)
  2. Transluzente Wärmedämmstoffe auf Massivwänden (TWD)
  3. Vakuumisolationsdämmstoffe (Vakuumisolationspaneele VIP)
  4. Mikroporöse Innenwärmedämmstoffe auf Calciumsilicatbasis
  5. Infrarotreflektierende Folien und Wandanstrichsysteme.

Von den aufgeführten innovativen Baustoffen möchten wir drei näher beleuchten:

Verbundbaustoffe mit Latentwärmespeichervermögen (PCM)

Verbundbaustoffe mit Latentwärmespeichermaterialien enthalten in gekapselter Form spezielle, im Baustoffsektor bisher noch nicht verwendete Stoffgruppen, z. B. Paraffine, Salzhydrate, Fettsäuren, Zucker, Alkohole, Graphite u. a., die eine hohe Schmelz- bzw. Kristallisationswärme haben. Weil die Energieaufnahme bzw. -abgabe mit der Phasenumwandlung zusammenhängt (Bild 1), werden diese Materialien als "Phase Change Materials" (PCM) bezeichnet. Ihre Schmelz- bzw. Kristallisationstemperaturen, die bei einer stoffspezifisch arteigenen Temperatur liegen, können zur Klimatisierung von "kleinen Volumina" (Kühltaschen, Autos, Telecom-Shelter) und von "großen Volumina", wie Kühlräumen und Räumen von Gebäuden, hier als "Kühlsegel", genutzt werden.

Die spezifische Schmelz- und Kristallisationswärme ist bei den bisher untersuchten Systemen 5 bis 14-fach größer als die von Wasser (0 °C), Mauerwerk oder Felsgestein (Bild 2).

Durch die Kapselung von PCM in herkömmlichen Umhüllungssystemen (Stahlblech, Plastikfolien) können effiziente Kurzzeitwärmespeicher hergestellt werden (Bild 3).

Stationäres PCM-Wärmespeichersystem mit Einzelspeicherelement Bild 3b: Stationäres PCM-Wärmespeichersystem mit Einzelspeicherelement
















Je nach den zu regulierenden Temperaturen enthalten die Speicherelemente Paraffine oder Salzhydrate mit festgelegten chemischen Strukturen und Schmelzpunkten. Rohparaffine (Bild 4) werden beispielsweise nach einem patentierten Verfahren der BASF mit Latex als Mikrokugeln gecoatet und in dieser Form als Baustoffadditive, beispielsweise für Gips-PCM-Verbundbaustoffe, verwendet (Bild 5).


Einbau von PCM-Mikrokugeln in eine Trägermatrix (ISE Freiburg) Bild 5: Einbau von PCM-Mikrokugeln in eine Trägermatrix (ISE Freiburg)

Bei der Klimaregulierung von Räumen und Gebäudeteilen in Bezug auf einen erwünschten Wohlfühltemperaturbereich, muss die Energiebilanz aufgehen, d. h. die Aufnahmekapazität des PCM-haltigen Baustoffs muss größer sein als die zugeführte Energiemenge. So ist es möglich, die Temperatur in einem Arbeitsraum in einem engen Schwankungsbereich um einen Mittelwert konstant zu halten. Für die Speicherentladung gilt der umgekehrte Sachverhalt. Hier muss die Energieabführung, beispielsweise in den Nachtstunden ausreichend groß sein, um den Speicher zu entladen und für die Energieaufnahme am nächsten Tag vorzubereiten.

Bild 7 zeigt das erfolgreiche "Abmildern" der Temperaturspitzen durch PCM-dotierte Baustoffe.

Transluzente Wärmedämmstoff-Verbundsysteme (TWD-Systeme)

In den vergangenen Jahren wurden lichtdurchlässige (transluzente) Wärmedämmsysteme für den Wärmegewinn durch Sonneneinstrahlung entwickelt.

Bei transluzenten Wärmedämm- und Wärmegewinnungssystemen handelt es sich um Fassadenbekleidungen auf Massivwänden aus Ziegelmauerwerk oder Beton, die eine lichtdurchlässige Deck- und Dämmschicht besitzen (Bild 8, graue Felder). Das Sonnenlicht durchdringt den äußeren Teil der Fassade (TWD-Verbundsystem) mit "Wärmefenstern", (Bilder 9 und 10) wobei die Lichtleitung mit Hilfe von Kapillarrohrstrukturen, z. B. aus Polycarbonat, Polymethylmethacylat, Zellulose-Acetat, Glas etc. (Bild 11) oder aus diffus lichtdurchlässigem Kieselgel (Bild 12), erfolgt. Das Sonnenlicht wandelt sich auf einer dahinter liegenden schwarzen Wand aus typischer kurzwelliger Strahlung in langwellige Wärmestrahlung um, die den Massivbaustoff und den damit umschlossenen Baukörper wärmt.

Winterliche Sonnenlichteinstrahlung mit niedrigem Reflexionsanteil (STO AG) Bild 10: Winterliche Sonnenlichteinstrahlung mit niedrigem Reflexionsanteil (STO AG)

 Lichtdurchlässiges Kieselgel (Nanogel) für TWDVS (CABONAT Nanogel GmbH) Bild 12: Lichtdurchlässiges Kieselgel (Nanogel) für TWDVS (CABONAT Nanogel GmbH)




Den Querschnitt und die Wirkungsweise eines TWD-Verbundsystems bei sommerlicher und winterlicher Sonnenenergieeinstrahlung zeigen die Bilder 9 und 10. Die TWD-Verbundsysteme sind in ihrer Heizleistung mit den konventionellen Gebäudeheizungen abzustimmen. Die Heizenergiezugewinne können so groß werden, dass insbesondere in der Sommerzeit Verschattungseinrichtungen an den betroffenen Fassaden erforderlich werden, um eine Gebäudeüberhitzung zu vermeiden. Je nach Standort, Gebäudeorientierung und äußerer Verschattung können pro Jahr zwischen 50 bis 150 kWhHeizenergie pro m² Fassadenfläche gewonnen bzw. eingespart werden.

Vakuumisolationsdämmstoffe (Vakuumisolationspaneele VIP)

Vakuumisolationspaneele bestehen grundsätzlich aus einem Dämmkern aus mikroporöser, pyrogener Kieselsäure, der von einer sogenannten gasdichten Hochbarrierefolie umhüllt unter Vakuum gesetzt wird. Hierdurch werden besonders niedrige Wärmeleitfähigkeiten erzeugt. Die Dicke der Dämmstoffschichten kann im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen um das 5- bis 8-fache reduziert werden.

Vakuum-Isolations-Paneel Bild 14b: Vakuum-Isolations-Paneel
































Die Bilder 14a und 14b zeigen den Vergleich der Dicke der Dämmstoffschichten eines herkömmlichen Pfosten-Riegel-Dämmstoffsystems mit einem Vakuum-Isolationspaneel.

Fazit

Die vorgestellten Systeme beruhen auf mehreren im Bauwesen erfolgreich praktizierbaren Anwendungen von physikalischen und chemischen Prinzipien der Wärmespeicherung, der Erhöhung des Wirkungsgrades der Sonnenenergienutzung und der Wärmedämmung für die Gebäudeklimatisierung.

Diese neuen Verbundbaustoffsysteme werden künftig wesentlich zur Erhöhung der Energieeffizienz im Bauwesen beitragen. Sie sind geeignet, den spezifischen Energieverbrauch für die Heizung und Kühlung von Wohngebäuden signifikant zu vermindern und den Verbrauch von fossilen Energieträgern zu senken. Jedoch befinden sich diese innovativen Bau- und Verbundbaustoffe trotz bereits praktizierter erster Anwendungen im Entwicklungsstadium. Das BBSR erarbeitet mit Blick auf noch offene Fragen, z. B. Dauerhaftigkeitsaspekte, konstruktiven Detaillösungen.

Kontakt

  • Dr. Tanja Brockmann
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat WB 6 „Instrumente des ressourcenschonenden und klimaangepassten Bauens“
    Telefon: +49 30 18401-2760
    Fax: +49 30 18401-2769
    E-Mail: tanja.brockmann@bbr.bund.de

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