Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 06.04.2022 KI und Stadtentwicklung

Einsatzfelder künstlicher Intelligenz in der Stadtentwicklung

Künstliche Intelligenz als Werkzeug der Stadtentwicklung kann helfen, die Lebensqualität zu verbessern, Teilhabe zu stärken und die kommunale Verwaltung effizienter zu machen. Der bisher limitierte Einsatz zeigt ausgeprägten Forschungsbedarf auf.

Potenziale künstlicher Intelligenz als Tool der Stadtentwicklung

Eine der Herausforderungen der Digitalisierung besteht darin, wachsende Datenmengen fortlaufend zu aktualisieren, zu strukturieren und intelligent zu verknüpfen. Erst dann können (Echtzeit-)Daten Grundlage für Entscheidungen von Politik und Verwaltung sein. Die dafür notwendige Transformation gestaltet sich dynamisch: Ein Megatrend ist die wachsende Bedeutung von Big Data und künstlicher Intelligenz (KI). Gerade die KI hat für die Stadtentwicklung Relevanz. KI-Methoden machen es möglich, große Datenmengen schnell und effizient zu kategorisieren und zu analysieren. KI-Nutzung kann helfen, Lebensqualität und Teilhabe der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner zu verbessern und die kommunale Verwaltung effizienter zu machen.

Der Kernfaktor für die Entwicklung maschineller Lernsysteme sind Daten. Im Gegensatz zu klassischer Informationstechnik (IT) funktionieren KI-Systeme nicht ohne Trainingsdaten. KI-Entwicklung benötigt zudem große Datenmengen, daher ist Big Data der zentrale Treiber für KI in der Stadtentwicklung. Neben dem Ausbau digitaler Infrastrukturen (Breitband- und 5-G-Netze, resiliente und „cybersichere“ IT-Infrastruktur) gehört daher die Weiterentwicklung von Datengovernance und -management in den Kommunen zu den Kernvoraussetzungen für die Entwicklung von KI-Lösungen. Um große Datenmengen verfügbar zu machen, gilt es,

  • „Datensilos“ in Kommunen zu überwinden, Daten mit integrierten Plattformen und Dashboards zu verknüpfen und Datenströme enger zu vernetzen,
  • Software-Schnittstellen zur Datenübergabe weiter zu optimieren, und
  • digitale Kompetenzen in Verwaltung und (kommunalen) Unternehmen weiter auszubauen, insbesondere in den Feldern Big Data und KI.

Anwendungsfelder und Beispiele von KI in der Stadtentwicklung

Um einen Überblick über konkrete KI-Anwendungsfelder in der Stadtentwicklung zu gewinnen, hat das BBSR im Jahr 2021 explorative Dokumenten-, Literatur- und Internetrecherchen zu (inter-)nationalen Plan-und Praxisbeispielen durchgeführt. Der Fokus lag auf Projekten, die von Kommunen und kommunalen Unternehmen initiiert und durchgeführt wurden bzw. werden oder an denen sich Kommunen beteiligen bzw. beteiligt haben. Insgesamt wurden 30 Plan-und Praxisbeispiele in deutschen Kommunen identifiziert, darunter 27 Projekte in Einzelkommunen und drei Netzwerkprojekte. Der wesentliche Teil der Kommunen sind Groß- (73 %) und Mittelstädte (20 %). Zwölf Projekte sind von Kommunen selbst initiiert, 18 Projekte gehören zur Förderung von EU, Bund und Ländern. In zehn Bundesprojekten werden KI-Lösungen im Rahmen des Programms Modellprojekte Smart Cities (MPSC) geplant und realisiert. Aufgrund der hohen Dynamik der KI-Entwicklung erhebt diese Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Karte stellt die Verteilung der Kommunen mit KI-Beispielen im Bundesgebiet dar. Abbildung Projektbeispiele KI und Stadtentwicklung Projektbeispiele KI und Stadtentwicklung

KI-Projekte mit Bezug zur Stadtentwicklung sind besonders häufig in den folgenden drei Anwendungsfeldern angesiedelt:

  • Mobilitätsplattformen, urbanes Verkehrs- und Logistikmanagement (einschließlich der Überwachung der Luftqualität), Infrastrukturen für autonomes Fahren
  • intelligente Straßenzustandserfassung und -bewertung („predictive maintenance“)
  • Entwicklung und Realisierung KI-gestützter digitaler Zwillinge

Auch mit Blick auf die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens ist das Verkehrs- und Logistikmanagement eines der zentralen KI-Themen in der Stadtentwicklung. Dabei ist der KI-Einsatz nicht auf Fahrzeuge im Personen- und Lieferverkehr beschränkt, sondern zugleich Thema der Infrastruktur. Sensor- und Internet-of-Things (IoT)-gestützte KI-Systeme können Kommunen in der Verkehrsflussanalyse, beim Aufbau (intermodaler) Mobilitätsplattformen und – mit Blick auf den Klimaschutz – bei der Überwachung der Luftqualität unterstützen. Neben Kommunen mit lokalen Ansätzen (z. B. Darmstadt) und Projekten der Landesförderung (z. B. Stuttgart) beschäftigen sich fünf MPSC mit KI-Tools in der urbanen Mobilität (z. B. Solingen, Ulm und Wolfsburg).

Die intelligente Straßenzustandserfassung und -bewertung ist eines der wenigen KI-Anwendungsfelder, das die Kommunen – zumindest im kleinen Rahmen – in der Breite nutzen. Die KI unterstützt Kommunen dabei, den Straßenzustand anhand von Bilddaten zu analysieren und zu kategorisieren. Vertiefte Literaturrecherchen zeigen, dass mittlerweile über 80 Kommunen in Deutschland KI-Tools zur Überwachung ihrer Straßenzustände einsetzen (z. B. Leipzig, Freudenstadt oder Eichstetten).

Digitale Zwillinge lassen sich zum Beispiel in der Stadtplanung nutzen. Die technische Grundlage digitaler Zwillinge für Anwendungen in Arbeitsfeldern der Stadtentwicklung bilden dabei Geoinformationssysteme (GIS): Kommunen entwickeln digitale Zwillinge als georeferenzierte 3-D-Modelle ihrer Stadtgebiete, Verkehrsinfrastruktur oder einzelner Quartiere und Gebäude. Sie verknüpfen die Modelle mit verschiedenen weiteren Informationen zum Stadtraum, beispielsweise dem Gebäudebestand, der Luft- und Wasserqualität, dem Stadtklima, Solarkatastern und soziodemografischen Daten. Dabei nutzen sie Verfahren zum Digitalen Bauen (BIMBuilding Information Modeling) und Digitaler Stadtmodellierung (CityGMLCity Geography Markup Language). KI kommt zur Erfassung von Bild- und Sensordaten und als Prognosetool zum Einsatz. Die Recherche zeigt, dass die Kommunen mit Blick auf Aufwand und Komplexität Kooperationen zur Entwicklung digitaler (KI-gestützter) Zwillinge eingehen, beispielsweise die Städte Hamburg, Leipzig und München mit ihrem gemeinsamen MPSC-Projekt „Connected Urban Twins“ (CUT). Die Koordinierungs- und Transferstelle (KTS) Modellprojekte Smart Cities führt 2022 eine Studie zur Analyse der Potenziale digitaler Zwillinge als Basis kommunaler Entscheidungen und zur Optimierung integrierter Planungsprozesse durch.

Da sich KI erst in jüngster Zeit zu einem Smart-City-Fokusthema entwickelt, liegen kaum dokumentierte Erfahrungswerte oder (Referenz-)Daten zum KI-Einsatz in der Stadtentwicklung vor. Die identifizierten Beispiele decken sich mit Auswertungen in der Literatur und zeigen, dass KI-Systeme in der Stadtentwicklung in Deutschland derzeit überwiegend Pilot- oder Planungsprojekte sind. Nur ein Drittel der 30 Beispiele ist in einer stadtraumweiten Umsetzung.

Fazit

Die explorative Recherche hat gezeigt, dass KI-Tools bis auf wenige Beispiele noch keine breite Anwendung unter den IT-Anwendungen in den Kommunen finden. Häufig sind die Ansätze im Pilot- oder Planungsstadium und nehmen erst seit Kurzem einen prominenten Stellenwert in Smart-City-Konzepten der Kommunen ein. Auch die Implementierung von KI-Regelwerken steht am Anfang, nimmt aber seit Mai 2021 mit dem Entwurf für ein EU-Regelwerk an Fahrt auf (Artificial Intelligence Act). Die Smart City Charta und die „Datenstrategien für die gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung“ (BBSR/BMI 2021) bieten ergänzend einen Leitrahmen für den KI-Einsatz in der Stadtentwicklung in Deutschland. Konkrete Strategien und gezielte Maßnahmen auf kommunaler Ebene zum werteorientierten Umgang und gemeinwohlorientierter Ausgestaltung der Systeme (z. B. Instrumente zur Risikoabschätzung, Qualifizierung der Systeme und Kompetenzaufbau von Stadtverwaltung und -gesellschaft) finden sich kaum. Erste Ansätze wie die Einführung von KI-Registern und -Beauftragten sind europaweit vereinzelt zu beobachten.

Die Forschung zum Thema KI steht somit noch am Anfang. Vor diesem Hintergrund ergeben sich künftig zahlreiche Forschungsbedarfe. Monitoring und Evaluation haben beispielsweise eine hohe Relevanz für KI-Systeme in der Stadtentwicklung. Analog zu bisher nur begrenzt verfügbaren Smart-City-Evaluationen liegen auch für den Einsatz von KI-Systemen kaum dokumentierte Erfahrungen vor. Daher lassen sich Umsetzungserfolge bislang nur eingeschränkt messen. Um den Nutzen sowie Erfolgsfaktoren und Hemmnisse zu identifizieren und Impulse für die Verbreitung von KI-Tools zu setzen, bedarf es themenspezifischer und praxisbezogener Evaluationsansätze. Die Stadtentwicklungsforschung kann und wird hierzu auch in Zukunft einen substanziellen Beitrag liefern.

Kontakt

  • Eva Schweitzer
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 5 „Digitale Stadt, Risikovorsorge und Verkehr“
    Telefon: +49 228 99401-1654
    E-Mail: eva.schweitzer@bbr.bund.de

Diese Seite