Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 05.11.2020 Kooperation und Beteiligung in der Städtebauförderung

Bei der Durchführung von Stadtentwicklungsprojekten treffen oftmals unterschiedliche Interessen verschiedener Akteursgruppen (verschiedene kommunale Ämter, Gebäude-/Wohnungseigentümer, Anbieter von Infrastruktur etc.) aufeinander. Aber auch in der Bewohnerschaft unterscheiden sich Wünsche und Anforderungen. Die Erfahrung zeigt, dass Städtebauförderungsprojekte erfolgreicher sind, wenn entsprechende Beteiligungs- und Kommunikationsprozesse in das Gesamtverfahren eingebaut sind.

Kooperation mit verschiedenen Akteursgruppen

Kooperationen erfolgen in Prozessen der Stadtentwicklung unter anderem mit Inhabern von Eigentumsrechten, wie zum Beispiel Wohnungsunternehmen und Kreditinstituten, zivilgesellschaftlichen oder professionellen Interessenvertretern wie Bürgervereinen, Einzelhandelsvereinigungen, Stiftungen, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden. In der Städtebauförderung haben Kooperationen einen hohen Stellenwert – insgesamt werden in über 70 % der Fördergebiete Kooperationen eingegangen. Am weitesten verbreitet sind Kooperationen mit Vereinen, Wohnungsunternehmen und aus der Bewohnerschaft organisierten Gruppen wie Quartiersbeiräten.

Die Abbildung zeigt den prozentualen Anteil der Gesamtmaßnahmen der Städtebauförderung die mit verschiedenen Akteursgruppen kooperieren. Kooperation mit verschiedenen Akteursgruppen Anteil der Gesamtmaßnahmen der Städtebauförderung die mit verschiedenen Akteursgruppen kooperieren

Im Durchschnitt kooperierten die Kommunen im Jahr 2017 mit mehr als drei verschiedenen Akteursgruppen im Fördergebiet. Im Programm Soziale Stadt (seit 2020 Sozialer Zusammenhalt) hat die kooperative Herangehensweise eine besonders starke Bedeutung, da die Einbindung der Zivilgesellschaft und die Aktivierung der Bewohnerschaft eigenständige Ziele im Programm sind. Im Schnitt arbeiten die Kommunen in den Fördergebieten des Programms mit mehr als fünf Akteursgruppen zusammen. Insgesamt zeigen sich aber zwischen Stadt- und Gemeindetypen deutlichere Unterschiede als zwischen den Programmen der Städtebauförderung. In Gesamtmaßnahmen wird im Programm Soziale Stadt in Großstädten durchschnittlich mit sieben Akteursgruppen kooperiert und damit mit fünf Kooperationen mehr als in Landgemeinden. In den anderen Programmen ist die Mittelwertdifferenz zwischen Großstädten und Landgemeinden etwas geringer. Hier wird in Gesamtmaßnahmen in Großstädten durchschnittlich mit fünf und damit mit drei Kooperationen mehr als in Landgemeinden kooperiert. Die Vermutung liegt nahe, dass in größeren Kommunen mehr Kapazitäten zur Verfügung stehen, um Kooperationen zu etablieren. Gleichzeitig ist in größeren Kommunen auch die Zahl der möglichen Kooperationspartner höher und es ist mit komplexer angelegten Maßnahmen zu rechnen. Bei allen Gemeindetypen und Programmen erhöht sich die Zahl der eingegangenen Kooperationen mit der Laufzeit der Maßnahme. Durch die langfristig angelegten Stadtentwicklungsmaßnahmen werden Kooperationen nicht unbedingt über die ganze Laufzeit eingegangen, sondern orientieren sich an, für den jeweiligen Akteur relevanten Einzelmaßnahmen. Daher gibt die Auswertung im Programmjahr 2017 nur einen Zwischenstand wider, während die endgültige Zahl der eingegangenen Kooperationen nur nach Abschluss einer Gesamtmaßnahme ermittelt werden kann.

Die Abbildung zeigt zum einen den prozentualen Anteil der Gesamtmaßnahmen in denen Kooperationen bestehen und zum anderen die durchschnittliche Anzahl von Kooperationen (jeweils nach Stadt- und Gemeindetypen). Kooperation nach Stadt- und Gemeindetyp Anteil der Gesamtmaßnahmen der Städtebauförderung in denen Kooperationen bestehen und die durchschnittliche Anzahl von Kooperationen

Beteiligungs- und Informationsveranstaltungen

Nach Maßgabe des Baugesetzbuches sollen Sanierungsmaßnahmen frühzeitig mit den Betroffenen erörtert werden. Mietende und pachtende Personen werden dabei ausdrücklich gleichwertig neben Eigentümern genannt. Bürgerbeteiligung gilt als Voraussetzung für eine nachhaltige, integrierte Stadtentwicklung.

Ein Instrument der Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung sind Beteiligungs- und Informationsveranstaltungen. Diese dienen der Information der Bürger über anstehende Planungen und Baumaßnahmen, sollen sie aber auch zur Mitwirkung bei der Planung und Durchführung der angestrebten Maßnahmen anregen. Dabei gewinnen neben formellen, gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungs- und Informationsveranstaltungen – zum Beispiel bei der Abstimmung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen – informelle Instrumente der Bürgerbeteiligung an Bedeutung. Das Repertoire ist dabei vielfältig. Neben "klassischen" frontalen Informationsveranstaltungen sind beispielsweise Planungs- und Ideenwerkstätten, Zukunftskonferenzen, Begehungen und Ähnliches denkbar. Die Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung, die jährlich zwischen Bund und Ländern geschlossen wird, sieht außerdem als Grundlage für jede Gesamtmaßnahme ein unter Beteiligung der Bewohnerschaft erstelltes städtebauliches Konzept vor, in dem Ziele und Maßnahmen eines Fördergebiets dargestellt werden. Ziel all dieser Formate ist es, in den Dialog mit den Bürgern zu treten und die Verfahren transparent zu machen. So können unterschiedliche Interessen und daraus resultierende Zielkonflikte frühzeitig erkannt und (im besten Fall) abgestellt werden.

Die Auswertung der Monitoringdaten zeigt, dass das Instrument der Bürgerbeteiligung stark genutzt wird. Insgesamt wurden im Jahr 2017 in 80 % der Gesamtmaßnahmen Beteiligungs- und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Dabei wiederholt sich das Muster, das sich bereits bei den Kooperationen mit der Zivilgesellschaft gezeigt hat. Bei Betrachtung der verschiedenen Programme sticht das Programm Sozialer Zusammenhalt mit durchschnittlich zehn Veranstaltungen deutlich hervor. Zudem zeigen sich programmunabhängig Unterschiede zwischen den Stadt- und Gemeindetypen. Dabei liegt der Anteil von Städtebaufördermaßnahmen, zu denen Veranstaltungen im Berichtsjahr stattgefunden haben, bei allen Stadt- und Gemeindetypen bei über 70%, die Variation ist entsprechend gering. Deutliche Niveauunterschiede treten bei der durchschnittlichen Anzahl der durchgeführten Veranstaltungen auf, die vermutlich auf ähnliche Mechanismen wie bei der Etablierung von Kooperationen zurückgehen: Höhere Kapazitäten bei den größeren Kommunen, aber auch die Notwendigkeit, mehr Bewohnerinnen und Bewohner zu erreichen.

Die Abbildung zeigt zum einen den prozentualen Anteil der Gesamtmaßnahmen zu denen Veranstaltungen durchgeführt wurden und zum anderen die durchschnittliche Anzahl von Veranstaltungen (jeweils nach Stadt- und Gemeindetypen). Beteiligungs- und Informationsveranstaltungen Anteil der Gesamtmaßnahmen zu denen Veranstaltungen durchgeführt wurden und die durchschnittliche Anzahl von Veranstaltungen

Verfügungsfonds

Ein spezifisches Instrument der Beteiligung ist der Verfügungsfonds. Die Verwaltungsvereinbarung zur Städtebauförderung sieht vor, dass Kommunen zur stärkeren Beteiligung und Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger einen Fonds einrichten können, über dessen Verwendung lokale Gremien entscheiden. Die Fonds werden in der Regel zur Hälfte durch Mittel der Städtebauförderung finanziert. Die andere Hälfte soll von der Wirtschaft, von Immobilien- und Standortgemeinschaften, Privaten oder der Gemeinde bereitgestellt werden. Dieser Teil kann auch für nicht-investive Maßnahmen eingesetzt werden. In den Programmgebieten des damaligen Programms Soziale Stadt können Verfügungsfonds bereits seit 2005 eingerichtet werden und in Abweichung zu den anderen Programmen auch bis zu 100 % aus Mitteln der Städtebauförderung finanziert werden. Seit 2010 kann der Verfügungsfonds auch in den anderen Städtebauförderungsprogrammen genutzt werden.

Mit dem Instrument wird den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit eröffnet, eigene, an den örtlichen Bedarf angepasste Projektideen zu entwickeln und umzusetzen. Ziel ist es, die Identifikation mit dem Quartier zu erhöhen und die Chance zu bieten, auch Bevölkerungsgruppen einzubinden, die über formelle Beteiligungsverfahren nicht zu erreichen sind. Beispielsweise können die Mittel für investive Maßnahmen wie Bepflanzungen und Begrünungen oder die Ausstattung des öffentlichen Raums mit Spielgeräten, Sitzgelegenheiten oder Fahrradständern genutzt werden. Es bieten sich aber auch investitionsvorbereitende bzw. -begleitende Maßnahmen wie Öffentlichkeitsarbeit und auch nicht-investive Maßnahmen wie die Unterstützung eines Stadtteilmanagements an.

In 15 % der Gesamtmaßnahmen war 2017 ein Verfügungsfonds eingerichtet. Im Programm Soziale Stadt/Sozialer Zusammenhalt sowie programmübergreifend in den Großstädten waren anteilig wiederum deutlich mehr Verfügungsfonds eingerichtet, nämlich jeweils in 36 % der Gesamtmaßnahmen. Rund 30 % der Verfügungsfonds hatten ein Volumen von bis zu 10.000 Euro. Weitere 45 % lagen zwischen 10.000 und 40.000 Euro. Die restlichen 25 % der Verfügungsfonds lagen über 40.000 Euro.

Datengrundlage
Monitoring zur Städtebauförderung
Seit 2013 werden zu den Gesamtmaßnahmen der Städtebauförderung Input-, Output- und Kontextindikatoren erhoben. Die Kommunen erfassen dieses Indikatorenset ex post – also nach der Durchführung von Einzelmaßnahmen. Dabei werden jedes Jahr die Ergebnisse der durchgeführten Einzelmaßnahmen (Output), die für deren Umsetzung genutzten Mittel des jeweils letzten Haushaltsjahres (Input) sowie Kontextinformationen zu den Fördergebieten erfasst. Grundlage der Auswertung sind die Daten zum Programmjahr 2017. Dazu liegen Daten von mehr als 3.500 Gesamtmaßnahmen der Städtebauförderung vor, was einem Anteil von etwa 65 % aller Gesamtmaßnahmen entspricht.

Kontakt

  • Jürgen Göddecke-Stellmann
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 4 „Städtebauförderung, Soziale Stadtentwicklung“
    Telefon: +49 228 99401-2261
    E-Mail: juergen.goeddecke@bbr.bund.de

  • Madeline Kaupert
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 4 „Städtebauförderung, Soziale Stadtentwicklung“
    Telefon: +49 228 99401-2309
    E-Mail: madeline.kaupert@bbr.bund.de

  • Thorsten Wagener
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 4 „Städtebauförderung, Soziale Stadtentwicklung“
    Telefon: +49 228 99401-1591
    Fax: +49 228 99401-2356
    E-Mail: thorsten.wagener@bbr.bund.de

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