Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 31.08.2021 Die Innenstadt als Wohnstandort

Soziodemografische Trends der Innenstadtentwicklung

Im Zuge der Covid-19-Pandemie hat die Diskussion um die Zukunft der Innenstädte einen erneuten Aufschwung erfahren. Durch die Schließung des Einzelhandels während des Lockdowns und der zunehmenden Verlagerung hin zum Onlinehandel drohen vor allem in kleineren Gemeinden, aber auch in Groß- und Mittelstädten Geschäftsaufgaben und somit Leerstände in innerstädtischen Lagen. Der Fachbeitrag analysiert die demografischen Trends der Innenstadtentwicklung des letzten Jahrzehnts anhand der Innerstädtischen Raumbeobachtung für 51 Großstädte und zeigt mögliche Handlungsfelder auf.

Deutschland war in den letzten Jahren durch ein starkes Wachstum geprägt, das sich insbesondere in Ballungsgebieten und deren näherem Umland niedergeschlagen hat. Ländliche Räume außerhalb der Großstadtregionen verzeichneten dagegen Bevölkerungsverluste. Folgen für die (großen) Kernstädte der Großstadtregionen waren unter anderem Engpässe auf den Wohnungsmärkten und dadurch steigende Miet- und Immobilienpreise. Zoomt man in die Städte und betrachtet diese Trends kleinräumig differenziert, zeigt sich, dass die Innenstädte verglichen mit den anderen Stadtgebieten von diesem Wachstum am stärksten profitiert haben. Sie verzeichneten also relativ betrachtet die höchsten Bevölkerungsgewinne, was für die Attraktivität innenstädtischer Wohnlagen spricht. Zwischen 2011 und 2019 wuchs die Bevölkerung dort um fast 10 Prozent (absolut für 51 betrachtete Städte ca. 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner mehr). Der Bevölkerungsanteil der Innenstadt an der Gesamtstadt hat sich zwischen 2011 und 2019 allerdings kaum verändert. Er liegt bei rund 16 Prozent.

Die Grafik zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Jahre 2011 bis 2019 nach den Lagetypen Innenstadt, Innenstadtrand und Stadtrand.

Die wachsende Wohnbevölkerung in den innerstädtischen Bereichen benötigt neben Wohnraum auch eine bedarfsgerechte und wohnraumnahe Ausstattung mit (sozialer) Infrastruktur. Um die Versorgung planen zu können, braucht es detaillierte Informationen über die Zusammensetzung der Bevölkerung und deren Veränderung im zeitlichen Verlauf in den Innenstädten, da aus den Bedarfen unterschiedlicher Altersgruppen verschiedenartige Anforderungen resultieren.

Vor allem für die Altersklassen der jungen Bildungswanderinnen und -wanderer (18- bis 24-Jährige) sowie Berufseinsteigerinnen und -einsteiger (25- bis 29-Jährige) ist die Innenstadt ein beliebter Wohnstandort. Sie leben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung überproportional häufig in den Innenstädten. Durch hohe Zuzugsraten über die letzten Jahre hat sich der Anteil der in den Innenstädten Lebenden in dieser Altersklasse gegenüber den restlichen Stadtteilen stetig erhöht. Daher ermöglicht eine Ausstattung der Studierenden und junge Berufseinsteigenden mit Wohnraum und Infrastruktur Austausch, Bildung, Kultur und soziales Miteinander, eine nachhaltige Nutzungsmöglichkeit für innenstädtische Flächen. Planerinnen und Planer müssen allerdings bedenken, dass diese Altersgruppen mengenmäßig in den nächsten Jahren aufgrund des demografischen Aufbaus Deutschlands schrumpfen werden und die Gruppenstärken somit bei gleichbleibenden Mobilitätsraten tendenziell rückläufig sein werden. Insbesondere bei der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen war dies in den letzten Jahren bereits sichtbar. Zwischen 2016 und 2019 ist diese Altersgruppe um über 5 Prozent geschrumpft.

Im Zuge des demografischen Wandels hat insbesondere die Zahl der Älteren deutlich zugenommen. Der Zuwachs in der Altersgruppe der über 75-Jährigen konzentriert sich größtenteils auf die Stadtteile am Stadtrand. Dennoch verzeichnen auch die Innenstädte starke Anstiege. Zwischen 2011 und 2019 sind allein in den 51 betrachteten Innenstädten knapp 50.000 Menschen in dieser Altersklasse hinzugekommen. Das entspricht einem Wachstum von fast 20 Prozent. Dies wirkt sich insbesondere auf die wohnraumnahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder die Ausstattung mit medizinischer Infrastruktur aus, da die Mobilität dieser Altersgruppe eingeschränkter ist.

Zudem bilden Familien, also die Altersklassen der unter 18-Jährigen und der 30- bis 44-Jährigen, eine nicht zu vernachlässigende Größe. Auch wenn der Suburbanisierungstrend bei Familien kaum nachgelassen hat und ein Großteil nach wie vor Richtung Stadtrand und ins Umland zieht, verzeichneten sie in den Innenstädten nach den über 75-Jährigen das stärkste Wachstum – mit rund 12 Prozent zwischen 2011 und 2019 (in absoluten Zahlen für 51 Städte: Zuwachs um ca. 150.000 Personen). Hier zeichnen sich insbesondere in der Altersgruppe der unter 6-Jährigen die leicht gestiegenen Geburtenraten der letzten Jahre ab. Auch für die Bewohnergruppe der Familien lassen sich eigene Bedarfe identifizieren. Hier sind insbesondere die Versorgung mit wohnraumnahen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen im Kindergarten- und Grundschulbereich zu nennen. Darüber hinaus werden aber auch besondere Anforderungen an den öffentlichen Raum gestellt, also etwa die Ausstattung mit Frei- und Spielflächen in innenstädtischen Lagen.

Die Grafik zeigt die Bevölkerungsentwicklung der Jahre 2011 bis 2019 nach Altersgruppen.

Die beschriebenen Entwicklungen der letzten Jahre geben Anlass, die Stärkung der Innenstädte (in Großstädten) als Wohnort als eine mögliche Option für Nachnutzungen in Betracht zu ziehen und diese bei zukünftigen Planungen zu berücksichtigen. Neben angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zählt hierzu auch die Ausstattung mit bedarfsgerechter Infrastruktur. Es gibt also vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, um freiwerdende oder leerstehende Räume wieder mit Leben zu füllen und so Innenstädte nachhaltig attraktiv zu gestalten.


Datengrundlage
Die innerstädtische Raumbeobachtung
Die Innerstädtische Raumbeobachtung (IRB) ist ein kommunalstatistisches Gemeinschaftsprojekt, an dem 56 Städte mitwirken und kleinräumige Daten unterhalb der Gemeindeebene bereitstellen. Somit lassen sich Aussagen zur Entwicklung von Innenstädten treffen. Das Projekt wird im Wesentlichen von Großstädten getragen, was zu einer Einschränkung des Berichtskreises führt. Städte und Gemeinden unterhalb der Einwohnergrenze von 100.000 sind im Projekt kaum vertreten, Aussagen für diese Städte sind daher nicht möglich. Die an der IRB beteiligten Großstädte decken mit den 23 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern einen Anteil von 28 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung ab. Der Datenkatalog umfasst mehr als 400 Merkmale und Daten seit dem Jahr 2002.

Weitere Informationen zur IRB

Kontakt

  • Teresa Grundmann
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 4 „Städtebauförderung, Soziale Stadtentwicklung“
    Telefon: +49 228 99401-2337
    E-Mail: teresa.grundmann@bbr.bund.de

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