Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 30.09.2021 Ausweitungsaktivitäten kommunaler Wohnungsanbieter

Kommunale Wohnungsbestände spielen in den wohnungspolitischen Strategien der Städte und Gemeinden eine Schlüsselrolle. Daher haben in den letzten Jahren immer mehr kommunale Wohnungsanbieter ihre Bestände vergrößert – vor allem durch Neubau und den Ankauf von Beständen.

Die Nachricht des großvolumigen Wohnungszukaufs durch das Land Berlin geht derzeit durch die Medien. Die vor einem Zusammenschluss stehenden Wohnungsunternehmen Vonovia SE und Deutsche Wohnen SE haben in Berlin 14.750 Wohnungen an die städtischen Wohnungsgesellschaften Berlins verkauft. Vor diesem Hintergrund beleuchtet das BBSR die kommunalen Aktivitäten in Bezug auf die eigenen Wohnungsbestände. Grundlage ist die BBSR-Datenbank Wohnungstransaktionen, die BBSR-Kommunalbefragung 2018 sowie Ergebnisse des Forschungsprojektes „Ausweitung des kommunalen Wohnungsbestandes“.

Die Kommunen als Akteure auf dem deutschen Transaktionsmarkt

Die Handelsaktivitäten der kommunalen Akteure am Markt mit Bestandswohnungspaketen haben sich in den letzten zwanzig Jahren deutlich gewandelt. Das BBSR erfasst das Marktgeschehen am deutschen Transaktionsmarkt mit Wohnungsportfolios ab 800 Wohneinheiten seit 1999. In den ersten Beobachtungsjahren gab es umfangreiche Verkäufe kommunaler Wohnungsunternehmen bzw. kommunaler Wohnungsbestände. Die Privatisierung löste eine heftige öffentliche Diskussion aus, in deren Folge die Verkäufe deutlich zurückgingen. Hinzu kam die wachsende Nachfrage nach Wohnraum in vielen Großstädten. Angesichts des Wohnraummangels rückte die Bedeutung kommunaler Wohnungsbestände wieder stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Mittlerweile beschränken sich umfangreiche kommunale Wohnungsverkäufe auf Einzelfälle, in denen Bestände aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten veräußert werden. Demgegenüber stehen vermehrt Zukäufe, die im Jahr 2019 mit einem Handelsplus von 12.800 Wohneinheiten ihren bisherigen Höhepunkt erreichten. Laut BBSR-Datenbank Wohnungstransaktionen stockten die Kommunen ihre Bestände von 2010 bis 2020 durch den Kauf von ca. 43.000 Wohnungen auf.

Anzahl verkaufter und gekaufter Wohnungen durch kommunale Akteure, 1999 bis 2020 Anzahl verkaufter und gekaufter Wohnungen durch kommunale Akteure, 1999 bis 2020

Kommunale Akteure als Wohnungsverkäufer

Seit 1999 haben kommunale Akteure insgesamt 418.000 Wohneinheiten veräußert. Von diesen Wohnungen wurde rund ein Drittel innerhalb der Kommune umgeschichtet, beispielweise durch die Übernahme anderer kommunaler Wohnungsunternehmen, der Stadtwerke oder der Verkehrsbetriebe. 226.000 Einheiten und damit mehr als die Hälfte der Wohnungen wurden von den Kommunen an Privatakteure veräußert. Die größten Portfolios gingen dabei an ausländische Finanzinvestoren. Gleichzeitig erwarben kommunale Akteure in kleinerem Umfang auch Bestände von privaten Investoren sowie von Bund und Land. Einige Städte wie Dresden und Kiel hatten in dieser Zeit ihren gesamten kommunalen Wohnungsbestand verkauft. Mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden: So gründete die Stadt Dresden im Jahr 2017 eine neue städtische Wohnungsgesellschaft, die Stadt Kiel entschied sich im Herbst 2019 ebenfalls zu diesem Schritt.

Berlin und andere Großstädte dominieren kommunale Handelsaktivitäten

Sowohl die kommunalen Veräußerungen als auch Zukäufe werden in einem hohen Maße von Großstädten getätigt. Fast 80 % der seit 1999 an Dritte verkauften Wohnungen (281.000 WE) befanden sich im Eigentum von Großstädten, allein das Land Berlin verkaufte 122.000 Wohneinheiten. Besonders erwähnenswert ist der Verkauf der GSW Immobilien mit 65.700 Wohnungen im Jahr 2004. Diese Bestände befinden sich – sofern sie nicht weiterverkauft wurden – mittlerweile im Besitz der Deutsche Wohnen SE, mit über 100.000 Wohneinheiten der größte privatwirtschaftliche Vermieter der Bundeshauptstadt oder wurden von der öffentlichen Hand wieder erworben.
Gleichzeitig ist Berlin auch beim Zukauf von Bestandswohnungspaketen die mit Abstand aktivste Kommune. Bereits seit mehreren Jahren vergrößert die Stadt ihre kommunalen Wohnungsbestände. Seit 2012 hat Berlin in 16 Transaktionen insgesamt 29.000 Wohnungen erworben. Dabei verfolgt Berlin vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums eine Strategie der Ausweitung des eigenen Wohnungsbestandes. Das Ziel, den Bestand bis 2021 auf 360.000 Wohnungen zu erweitern, wurde erreicht.

Die aktuell rund 15.000 erworbenen Wohnungen stellen ein besonders großes Wohnungspaket dar und einen wichtigen Schritt zur Erreichung dieses Ziels dar. Bisher kam es in der BBSR-Datenbank Wohnungstransaktionen zu keinem kommunalen Zukauf von einem Dritten in dieser Größenordnung. Die Transaktion findet vor dem Hintergrund der Übernahme der Deutsche Wohnen SE durch die Vonovia SE sowie dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ statt. Eine Mehrheit der Berliner hat beim Volksentscheid für eine Vergesellschaftung der privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit mindestens 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt, der neue Berliner Senat muss sich mit der Entscheidung der Wählerinnen und Wähler nun intensiv auseinandersetzen.

Kommunale Akteure handeln auch mit kleinen Beständen

Die Handelsaktivitäten von Kommunen und kommunalen Wohnungsunternehmen umfassen nicht nur An- und Verkäufe großer Wohnungsportfolios ab 800 Wohneinheiten. In den meisten Fällen handelt es sich um deutlich kleinere Handelsfälle, wie die Ergebnisse der BBSR-Kommunalbefragung 2018, an der 918 Kommunen teilgenommen haben, zeigen. Bei der Befragung wurde der Handel von Wohnungspaketen erhoben, differenziert nach kleineren Transaktionen mit zwei bis zu 20 Wohnungen und ab 20 Wohnungen pro Transkation.

Insgesamt führten kleinere Transaktionen von bis zu 20 Wohnungen in dieser Zeit zu einem Abschmelzen des Wohnungsbestandes von fast 3.000 Wohnungen, wohingegen größere Transaktionen ab 20 Wohnungen eine Bestandsausweitung von im Saldo 11.000 zur Folge hatten. Es wurden sechs Paketankäufe mit mehr als 1.000 Wohnungen erfasst, die allesamt in Berlin getätigt wurden. Kein einziger kommunaler Verkauf umfasste mehr als 800 Wohnungen.

Wohnungstransaktionen
kommu­nale Woh­nungs­anbieterTransak­tionenTransak­tionen je Anbietergehandelte Woh­nungenWoh­nungen je Transak­tion
Datenbasis: BBSR-Kommunalbefragung 2018 BBSR, Bonn 2021

Käufe / Verkäufe von 2 bis unter 20 Wohneinheiten pro Transaktion

Käufe951922,01.2186,3
Verkäufe1647674,74.1945,5

Käufe / Verkäufe ab 20 Wohneinheiten pro Transaktion

Käufe381122,915.141135,2
Verkäufe31571,83.91468,7

Neubau stellt dominierende Ausweitungsstrategie dar

Wie die Angaben der teilnehmenden Kommunen der BBSR-Kommunalbefragung 2018 verdeutlichen, kommt dem Neubau als Ausweitungsstrategie kommunaler Wohnungen eine größere Bedeutung als dem Erwerb von Bestandswohnungen zu. Allein im Dreijahreszeitraum 2015 bis 2017 vergrößerte jede dritte Kommune bzw. ihr kommunales Wohnungsunternehmen ihren Wohnungsbestand durch Neubau. Insgesamt gaben 208 kommunale Wohnungsanbieter an, ihren Wohnungsbestand in diesem Zeitraum in 885 Projekten um knapp 23.000 Wohnungen erweitert zu haben. Schwerpunkte des Neubaus waren vor allem Berlin, Hamburg und München.

Auch im Sinne der (kommunalen) Wohnungspolitik, das Angebot von Wohnraum in angespannten Märkten auszuweiten, hat der Neubau kommunaler Mietwohnungen eine größere Bedeutung als der Erwerb von Bestandswohnungen. Denn der Ankauf bestehender Wohnungen führt nicht dazu, dass insgesamt mehr Mietwohnungen zur Verfügung stehen. Allerdings ist der Neubau kommunaler Wohnungen auch stark von den konkreten Rahmenbedingungen abhängig (wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit des Unternehmens, Verfügbarkeit von Flächen- oder Nachverdichtungspotenzialen etc.) und beansprucht einen deutlich längeren Zeitrahmen.

Die Abbildung zeigt eine Deutschlandkarte mit Darstellung der Anzahl der neu errichteten kommunalen Wohnungen von 2015 bis 2017. Anzahl neu errichteter kommunaler Wohnungen 2015-2017

Die verschiedenen Wege der Bestandsausweitung kommen oftmals auch parallel zum Einsatz. In Berlin beispielsweise erweitern die Berliner Wohnungsunternehmen ihre Bestände durch Ankauf von Bestandsobjekten und Neubauprojekten sowie durch Neubau kommunaler Wohnungen parallel, um die vereinbarten Ziele der Ausweitung des kommunalen Wohnungsbestandes zu erreichen.

Die umfassenden Ausweitungsaktivitäten der Kommunen und ihrer Wohnungsunternehmen zeigen, dass sich die Wahrnehmung und das Rollenverständnis der kommunalen Wohnungsunternehmen nach den vorangegangenen Wellen des Bedeutungsverlustes und der Privatisierung kommunaler Wohnungsunternehmen grundlegend gewandelt hat. Die Kommunen sind sich heute mehr denn je bewusst, dass sie mit den eigenen Wohnungen über ein wichtiges Steuerungsinstrument verfügen. So messen sie ihren Wohnungsbeständen für eine Vielzahl wohnungs- und stadtentwicklungspolitischer Aufgaben eine zunehmende Bedeutung bei. Die BSBR-Forschungsergebnisse zeigen, dass zahlreiche Kommunen ihr wohnungspolitisches Engagement verstärkt haben und ihren kommunalen Wohnungsbestand durch Ankauf und Neubau ausweiten.

Veröffentlichungen

  • Veröffentlichungen zur BBSR-Datenbank Wohnungstransaktionen
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  • Sonderveröffentlichung „Kommunale Wohnungsbestände: Mietengestaltung – Ausweitung – Investitionen. Ergebnisse der Kommunalbefragung 2018“
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  • Ausweitung des Kommunalen Wohnungsbestandes durch Neubau und Ankauf als wohnungspolitische Strategie
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Links

Kontakt

  • Jonathan Franke
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat WB 1 „Wohnungs- und Immobilienmärkte“
    Telefon: +49 228 99401-1655
    E-Mail: jonathan.franke@bbr.bund.de

  • Gudrun Claßen
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat WB 1 „Wohnungs- und Immobilienmärkte“
    Telefon: +49 228 99401-1505
    E-Mail: gudrun.classen@bbr.bund.de

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