Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Forschungsprojekt: Jugend.Stadt.Labor

Ergebnisse

Pioniere des Wandels

Im ersten Projektjahr waren die Jugend.Stadt.Labore überwiegend damit beschäftigt, ihre Kerngruppen zusammenzusetzen und eine Organisationsstruktur zu entwickeln, ihre Projektbasis aufzubauen bzw. einzurichten und erste Vernetzungen in die Stadt hinein zu initiieren. Der Fokus des zweiten und dritten Projektjahrs lag hingegen auf der Umsetzung von Impulsprojekten und dem verstärkten Aufbau einer "Plattform junger Stadtentwicklung" in den einzelnen Städten und Gemeinden. Besonders in der Startphase begaben sich alle Jugend.Stadt.Labore zunächst in einen grundsätzlichen Diskurs, um sich über ihr Verständnis von Raum und Aneignung klarzuwerden.

Haltung und gemeinsame Werte

Um eine Gemeinschaft dauerhaft zu bilden und nach und nach zu erweitern, war die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung nötig, die eine kontinuierliche Reflexion innerhalb der Kerngruppe forderte. Nur so konnten sich konkrete Ziele entwickeln und es blieb möglich, Ereignisse und Wirkungen der bisherigen Aktivitäten immer wieder kritisch zu hinterfragen. Dazu gehörte auch die Definition von Spielregeln und der "Komplizenschaft": Wer gehört dazu, wer nicht? Welche Impulsprojekte werden nach welchen Entscheidungskriterien umgesetzt? Es zeigte sich, dass gleiche Werte und Ziele, auch wenn sie nicht explizit benannt, sondern vor allem gelebt wurden, ausschlaggebend für die Entwicklung der Gemeinschaften waren. Die konkrete Auseinandersetzung und Benennung von Werten führte schließlich zu einem gemeinsamen Wertepool, der für die meisten Jugend.Stadt.Labore prägend war:

  • Zugang statt Besitz
    Jugend.Stadt.Labore sollten so weit wie möglich für andere offen sein. Die Fördergelder sollten gemeinschaftlich verteilt und nutzbar gemacht werden. Die Kerngruppen konzipierten und unterstützten Impulsprojekte gemeinsam mit weiteren Akteuren und verwalteten dabei die Finanzen.
  • Kultur des Machens
    Junge Menschen waren mehr an der Umsetzung interessiert als am Planen und Debattieren. Dabei waren konkrete Aktionen, "Do-Tanks" (als Gegenstück zu "Think Tanks") und Trial-&-Error-Verfahren wichtige Formate zur Erprobung innovativer Ideen. Das Fehler-Machen und Scheitern war erlaubt: im Experiment gab es kein Schuldprinzip, vielmehr ging es um ein lösungsorientiertes Handeln.
  • Vertrauen
    Vertrauen war ein wichtiger Wert und zentraler Grundsatz, der Voraussetzung aller Jugend.Stadt.Labore war. Entscheidungen waren oft schnell zu treffen und mussten daher auch von einzelnen Mitgliedern selbstbestimmt übernommen werden. Dabei galt es immer, das Wohl der Gemeinschaft zu erhalten: Der Einzelne dachte für andere mit.
  • Peer to Peer
    Werte und Projekterfolge entstanden vor allem aus Erfahrung. Daher war das gemeinsame Tun wichtig, um voneinander und miteinander zu lernen. Die Offenheit der Projekte gewährleistete, dass viele Erfahrungen generiert und geteilt werden konnten.

Diese Werte machten deutlich, wie groß der Unterschied zwischen der Motivation und der Haltung zivilgesellschaftlicher Initiativen wie den Jugend.Stadt.Laboren und den üblichen Einstellungen in Verwaltungen war, den es zu überbrücken galt. Dass hieraus auch Kommunikationshemmnisse und Missverständnisse erwachsen konnten, war nicht verwunderlich.

Raumverständnis

Die Diskurse und Praktiken in den Jugend.Stadt.Laboren haben gezeigt, dass sich auch das Raumverständnis junger Menschen von funktionalen Raumzuweisungen der Stadtplanung unterschied. Jugendliche Raumnutzungen zeichneten sich durch spontane Aneignungen von Räumen aus, die umso interessanter waren, je weiter sie von den Zuweisungen der Erwachsenenwelt abwichen. Für junge Menschen sollten Stadträume daher möglichst offen und multifunktional nutzbar sein. Die geltenden Bau- und Nutzungsverordnungen gingen dagegen von langfristig stabilen Räumen und Nutzungen aus und sollten aus Sicht von Jugendlichen flexibilisiert werden. In ihrem Raumverständnis dachten junge Menschen aber nicht nur selbstbezogen. Sie wollten Räume für Austausch und Begegnung schaffen, die für alle Generationen und Gesellschaftsschichten übergreifend funktionierten. Wichtige Voraussetzung war, dass Stadträume weniger konsumorientiert ausgerichtet waren und alle Bürger gleichberechtigt an ihrer Gestaltung mitwirken konnten. Um nutzergetragenen Strukturen und alternativen Wirtschaftsformen mehr Entfaltungsraum zu bieten und Städte vielfältiger zu gestalten, war die Nutzung von Leerständen wichtig. Grundstücke der Stadt sollten daher für Ideen und Aneignungsprozesse aus der Bürgerschaft freigehalten werden.

Auch wenn Städte und Gemeinden sich zunehmend gegenüber bürgerschaftlicher Mitwirkung öffnen, ging es den jungen Menschen um eine Verlagerung von Prioritäten: Verwaltung und Politik sollte sich öffnen und sich nicht an kurzfristigen, wirtschaftlich attraktiven Nutzungen orientieren, sondern mehr Wert legen auf langfristige gemeinschaftliche Gestaltungen von Lebensräumen. Die jungen Akteure der Jugend.Stadt.Labore forderten neue Räume, die ein großes Potenzial für die Weiterentwicklung von Stadtentwicklung besitzen:

Gefordert werden neue Räume:

  • Räume des Vertrauens und der Freiheiten
    für ergebnisoffene Entwicklungen
  • Räume der Entschleunigung
    Entwicklungsräume ohne zeitlichen Druck
  • offene Räume der Selbstverwirklichung
    um sich selbst einzubringen
  • Kontakträume
    für Austausch, Gemeinschaft, Inklusion
  • Räume der Vielfalt
    zur Nutzung durch heterogene Gruppen
  • Räume der Verwurzelung
    um ein Zuhause zu finden

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