Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Forschungsprojekt: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Online-Handels auf den Einzelhandel in Städten, Gemeinden und Regionen, insbesondere in den Zentren

Projektsteckbrief

  • Status Laufend
  • Start September 2021
  • Programm ExWoSt

Im Rahmen der ExWoSt-Studie soll eine systematische Analyse der aktuellen Situation des stationären Einzelhandels und des Online-Handels sowie deren Bedeutung für die Städte und Zentren vorgenommen werden. Zusätzlich sollen beschleunigende Effekte der COVID-19-Pandemie in die Bewertung einbezogen werden.

Die Analyse beinhaltet sowohl die Betrachtung der Angebots- als auch der Nachfragesituation. Sie baut auf bestehenden Studien auf und ergänzt diese um eigene Datenerhebungen in ausgewählten Fallstudienstädten. Die Sekundäranalysen und Datenerhebungen werden durch Inputs und Bewertungen mit Expertinnen und Experten ergänzt und mit einem forschungsbegleitenden Arbeitsausschuss abgestimmt.

Ausgangslage

Lange Zeit war für die Entwicklung der Zentren die Leitfunktion des Einzelhandels unbestritten. Allerdings wurden in den letzten Jahren auch die negativen Wirkungen des zunehmenden Online-Handels thematisiert, die sich bereits auf den Geschäftsbesatz in den Zentren ausgewirkt haben. Obwohl von einigen Autorinnen und Autoren die Leitfunktion des stationären Einzelhandels für die Zentren grundsätzlich in Frage gestellt wurde, gingen bislang die meisten Einschätzungen davon aus, dass

  • der stationäre Einzelhandel weiterhin eine große Bedeutung für die Entwicklung der Innenstädte besitzen wird, er sich aber in der Struktur und den Angebotsformen erheblich verändern wird,
  • gastronomische Konzepte und weitere Funktionen in den Erdgeschossen und insbesondere auch in den oberen Geschossen eine größere Bedeutung bekommen werden (Mischnutzung) und
  • größere Städte, Zentren und boomende Regionen von der Digitalisierung durch neue Vertriebskonzepte, innovative Angebots- und Angebotsformen sowie neue Mixed-Use-Konzepte eher positiv beeinflusst werden.

Allerdings ist bereits vor der Covid-19-Pandemie deutlich geworden, dass Nebenlagen, Stadtteilzentren und Kleinstädte – insbesondere im ländlichen Raum mit negativer Entwicklungsdynamik – deutlich unter Druck geraten sind. An vielen Standorten war dies bereits durch hohe Leerstandsquoten und ein Downgrading der Einzelhandelsflächen sichtbar.

Es wird vielfach erwartet, dass die COVID-19-Pandemie als Trendverstärker wirkt und die bisherigen Entwicklungstendenzen, d.h. wachsende Anteile des Online-Handels und verstärkter Strukturwandel im Handel (Stärkung ohnehin starker Regionen und Standorte, fortschreitende Filialisierung u.a.) sich deutlich beschleunigen. Es gibt aber auch Einschätzungen und erste Anzeichen, die auf erhebliche Differenzierungen nach Wirtschaftszweigen, Branchen, Regionstypen und auch auf mögliche Veränderungen der bisherigen Tendenzen hinweisen. Dazu gehören:

  • Die bereits vor dem Shutdown positive Entwicklung im Bereich des stationären Lebensmitteleinzelhandels hat das Potenzial, in Verbindung mit einem höheren Anteil von Formen mobilen Arbeitens bzw. Homeoffice, zu Veränderungen der räumlichen Verteilung von Nutzungen zu führen. Dies stellt zumindest für Quartiers- und Stadtteilzentren oder Kleinstädte mit leistungsfähigen, städtebaulich integrierten Nahversorgern eine große Chance für eine nachhaltige Stärkung dieser dezentralen, wohnortnahen Zentren dar.
  • Schon vor den pandemiebedingten Einschränkungen stagnierten die Frequenzen in einigen innerstädtischen Haupteinkaufslagen (allerdings auf einem hohen Niveau). Aktuell zeichnet sich ab, dass nicht nur die großen Warenhäuser ihre Flächen und Standorte reduzieren, sondern auch die das Bild vieler Innenstädte bisher prägenden Filialisten. Hier kann teilweise auf neue Vertriebskonzepte verwiesen werden und das Verschmelzen von On- und Offline-Kauf (zum Beispiel durch Click & Collect) dazu führen, dass ein vergleichbares Angebot auch auf einer kleineren Verkaufsfläche angeboten werden kann. In der Folge könnten viele bisherige Einzelhandelsflächen leer fallen, die durch neue innovative Formate oder flexiblere und temporäre bzw. experimentelle Nutzungsmodelle (Pop-Up-Läden, neue Kombination von Handel, Dienstleistung und Gastronomie) in der Innenstadtentwicklung ersetzt werden könnten. Zusätzlich können teilweise sinkende Mieten und ggf. neue Umsatzmiet-Modelle dazu führen, dass an einigen Standorten weitere Nutzungen in die Zentren drängen, die sich in der Vergangenheit die innerstädtischen Lagen nicht (oder nur selten) leisten konnten - zum Beispiel Handwerk, Kultur, Bildung oder Freizeit. Diese Entwicklungen besitzt das Potenzial, die Nutzungsvielfalt in den Zentren zu erhöhen und ihre Attraktivität nachhaltig zu stärken. Diese Prozesse können durch ein Transformationsmanagement unterstützt werden.
  • Die Attraktivität des Online-Handels beruht wesentlich auf der Bequemlichkeit seiner Nutzung, die zum Teil auf seiner im Vergleich zum stationären Handel deutlich geringeren Regulierung beruht. Dies reicht von der 24/7-Verfügbarkeit und zugleich im Prinzip globalen Disponibilität über die fehlende Regulierung im Bereich der Zustelldienste und insbesondere der KEP-Dienste, die die öffentliche Straßeninfrastruktur belasten, bis hin zu kaum vorhandenen steuerlichen oder standörtlichen Regulierungen, während der stationäre Einzelhandel auf diesen Gebieten – bis hin zu Sortimentsvorgaben – erheblichen Restriktionen unterliegt.
  • Als Folge der zunehmenden Lieferdienste steigen die Flächennutzungskonflikte. Durch den Shutdown wurden die spätestens seit Anfang der 2000er-Jahre begonnenen Ausweitungen von Abholstellen (Paketshops oder Packstationen) durch die KEP-Dienste beschleunigt fortgesetzt. Diese neuen „Lagerstandorte“ können gerade in Gebieten mit besonders hohen Kundendichten die Flächenkonkurrenzen erheblich verstärken, sie bieten aber auch Potenziale zur Zentrenstärkung.
  • Es erscheint durchaus möglich, dass es etwa aus primär wettbewerbsrechtlichen (Dominanz einzelner Plattformen) oder klimapolitischen Motiven zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen für den derzeit planungs- und baurechtlich kaum regulierten Online-Handel und die dahinterstehende Logistik kommt. Dies könnte Auswirkungen auf dessen Attraktivität insgesamt oder auf die Letzte Meile-Logistik in den Wohnquartieren (Business-to-Consumer) und den Zentren (Business-to-Business) haben, die für die Kommunen relevant sind.

Ziel

Mithilfe des Forschungsprojektes Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Online-Handels auf die Zentren werden drei Ziele verfolgt:

  • Zunächst soll die Entwicklung des Online-Handels differenziert analysiert und dessen Auswirkungen in den verschiedenen Regionstypen und Stadtgrößen dargestellt werden.
  • Zweitens sollen die Auswirkungen des Online-Handels in Verbindung mit denen der COVID-19 Pandemie in Bezug auf die Stadt- und Zentrenentwicklung untersucht werden.
  • Drittens sollen die Chancen und Potenziale für die Gestaltung des zu erwartenden räumlichen und funktionalen Strukturwandels auf der kommunalen Ebene herausgearbeitet und entsprechende Handlungsansätze für die unterschiedlichen Akteursebenen entwickelt werden.

Blätterfunktion

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Einzelhandel in Städten und Zentren Empirische Ergebnisse aus sechs Fallstudien BBSR-Online-Publikation Ausgabe 07/2024 |

Innenstadt, Onlinehandel und Pandemie ExWoSt-Informationen Ausgabe 54/1 |

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Einzelhandel in Städten und Zentren Überblick zum Stand der Forschung BBSR-Online-Publikation Ausgabe 06/2023 |

Auftragnehmer

Kontakt

  • Manuel Weiß
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 5 „Digitale Stadt, Risikovorsorge und Verkehr“
    Telefon: +49 228 99401-1221
    E-Mail: manuel.weiss@bbr.bund.de

  • Dr. Andrea Jonas
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 2 „Stadtentwicklung“
    Telefon: +49 228 99401-1254
    E-Mail: andrea.jonas@bbr.bund.de

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