Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Forschungsprojekt: Raumentwicklungsstrategien zum Klimawandel – Vorstudie für Modellvorhaben

Ergebnisse

Hinweis: Die zusammenfassenden Ergebnisse der Vorstudie zu den Modellvorhaben werden voraussichtlich Anfang 2010 in der Reihe BBSR-Forschungen veröffentlicht.

Teilergebnisse der Studie sind als BBSR-Online-Publikationen erschienen (siehe Rubrik "Veröffentlichungen" in der Marginalspalte).

Dazu zählt auch die sog. "Blaupause", der Entwurf eines regionalen Handlungs- und Aktionsrahmens Klimaanpassung. Zum schnellen Einstieg für regionale Entscheidungsträger sind wesentliche Bausteine auf einer zusätzlichen Seite abrufbar. >> Ergebnisse "Blaupause"

Konzept und Zusammenfassung der Gesamtergebnisse der KlimaMORO-Vorstudie sind in einer Präsentation zusammengestellt worden. Diese Ergebnispräsentation steht als Download zur Verfügung.
Download (PDF, 4MB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)

Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst:

1. Strategische Komponente von Ansätzen zur Anpassung an den Klimawandel bisher wenig entwickelt

Der Fokus der untersuchten Literatur lag auf der Beschreibung und dem Umgang mit Einzelproblemen. Die Betrachtung war daher stark an einzelnen Maßnahmen orientiert, und Strategien wurden meist nur als Bündelung von Maßnahmen verstanden. Dies wird der Aufgabe einer Strategie (u.a. der Definition eines eigenen Leitbildes, Koordination des eigenen Handelns zur Erreichung dieses Zieles und Reflektion der Zielvorstellungen Dritter) kaum gerecht. Eine Strategie sollte klären, was mit welchen Mitteln - also wie - erreicht werden soll. Die Frage nach dem "Was", d.h. die Ziele und Leitbilder der Ansätze wurden vielfach nicht oder nur implizit genannt.

Eine Einschätzung der Zweck-Mittel-Relation, das Monitoring und die Überprüfung der Zielerreichung sind ohne Zieldefinition und Operationalisierung nicht möglich. Eine systematische Ableitung und Differenzierung der Ziele von bestehenden Normen aus unterblieb noch. Auch ein öffentlicher Diskurs über Leitbilder oder Alternativszenarien für die Entwicklung des betrachteten Raumes wurde in der Mehrzahl der untersuchten Quellen nicht vorgesehen. Die Arbeiten präsentierten sich in den meisten Fällen als Top-Down-Ansätze. Lediglich in Deutschland fanden sich mit KLARA-Net Ausnahmen, die auf einem konsensualen Entscheidungsprozess aufbauen.

Die Frage nach dem "Wie", d.h. eine Festlegung von Verantwortlichkeiten, Entscheidungsstrukturen oder Arbeitsschritten, wurde nur selten beantwortet. Bezug zu möglichen Managementstrategien (z.B. Adaptive Management, Risk Governance Cycle) wurde in wenigen Beispielen hergestellt.

2. Klarer raumordnerischer Bezug bisher selten

Insbesondere bei den internationalen Beispielen wurde deutlich, dass das Problem meist aus sektoraler Sicht bearbeitet wurde. Eine Prioritätensetzung der Maßnahmen aufgrund ihrer räumlichen und gesellschaftlichen Relevanz wurde kaum vorgenommen. Es muss vermutet werden, dass dies auf das Fehlen eines koordinierenden Akteurs zurückzuführen war. Die Bundesrepublik hat mit ihrem etablierten Planungssystem aus Fachplanungen und räumlicher Gesamtplanung hier einen nicht zu unterschätzenden Vorteil.

Das bestehende System bietet große Chancen, den vielfältigen Herausforderungen des Klimawandels in der hierfür nötigen konzertierten Form zu begegnen. Die Literaturanalyse machte deutlich, dass eine Abstimmung des vorhandenen räumlichen Steuerungsinstrumentariums essenzieller Teil einer Raumentwicklungsstrategie ist. Die vorhandenen Beispiele mit Raumplanungsbezug sind meist aus der internationalen Zusammenarbeit in Forschungsprojekten entstanden.

3. Klimawandel: Keine klaren Gewinner, aber viele Verlierer

Obwohl positive Effekte des Klimawandels erstaunlich oft in der Literatur angeführt wurden, konnten kaum klare Gewinner des Klimawandels bestimmt werden. Durch die stark differenzierten Wirkungen des Klimawandels auf die einzelnen Wirtschaftssektoren werden positive Effekte für den einen Sektor meist durch empfindliche Verluste für andere Sektoren begleitet.

So kann z. B. der Tourismus an der Ostseeküste durch wärmere Temperaturen, weniger Niederschlag und mehr Sonnentage eventuell an Bedeutung gewinnen, gleichzeitig verschärfen dieselben Veränderungen aber die Situation für die Landwirtschaft in Regionen mit Wassermangel.

Deutlich stärker als erwartet standen die ökonomischen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels im Fokus der Literatur. Sie lassen sich mit "harten" Zahlen wie z.B. erhöhten Mortalitätsraten eindrücklich belegen.

Die Darstellung der raumordnerischen Relevanz möglicher Wirkfolgen des Klimawandels erfolgt im Endbericht u.a. in einer umfassenden Übersichtstabelle.

4. Ergebnisse der räumlichen Analyse

Karte der Klimawandel-Regionstypen

Ziel der räumlichen Analyse war es, charakteristische Betroffenheitstypen zu entwickeln (ohne Verdichtung auf eine eindimensionale quantitative Bewertungsskala), anhand derer die Repräsentativität von Modellregionen für die unterschiedlichen regionalen Betroffenheiten durch den Klimawandel in Deutschland sichergestellt werden kann.

Es muss an dieser Stelle betont werden, dass es sich hier nur um eine vereinfachende exemplarische Darstellung unter raumordnungsrelevantem Blickwinkel handelte. Die andauernde technische Weiterentwicklung regionalisierter Klimamodelle (z.B. durch Ensemble-Klimasimulationen), lässt erwarten, dass in Zukunft Daten zur Verfügung stehen, die eine detailliertere Bewertung der Betroffenheit zulassen.

Für die räumliche Analyse wurde aus einem Vergleich der vorhandenen Informationen über das regionale Auftreten bestimmter raumplanerisch relevanter Wirkfolgen des Klimawandels und der lokalen Sensitivität, die potenzielle regionale Betroffenheit durch diese Wirkfolgen ermittelt.

Am Beispiel der Karte Klimawandel-Regionstypen für Szenario A1B (nach IPCC) im Zeitraum 2071-2100 gegenüber der Vergleichsperiode 1961-1990 zeigt sich, dass insbesondere das Alpenvorland, der Oberrheingraben und Südwestdeutschland starke Zunahmen für beide Faktoren Temperatur als auch Niederschlag aufweisen. Im Nordwesten und entlang der Nordseeküste dominieren die Zunahmen bei Faktor (2) Niederschlag. In Nordost- und Mitteldeutschland zeigt sich bei Analyse der Klimawandel-Betroffenheits-Raumtypen u.a. eine deutliche Zunahme der Trockenheitsprobleme.

Die Überlagerung verschiedener Wirkfolgen zeigte, in Übereinstimmung mit bestehender Literatur, eine besonders große Betroffenheit durch Probleme, die durch steigende Sommertemperaturen und sinkende Sommerniederschläge ausgelöst werden.

Die Auswertung ließ einen Schwerpunkt der Betroffenheit entlang des Rheins und dem Alpenvorland erwarten, aber auch in Ostdeutschland wird mit dem Entstehen erheblicher Betroffenheiten gerechnet. Bei der Betrachtung einzelner Wirkfolgen, wie z.B. der steigenden Waldbrandgefahr, traten diese Betroffenheiten noch deutlicher hervor und ließen vermuten, dass die Probleme, die hierdurch in einzelnen Regionen entstehen, alle anderen der dort auftretenden Wirkfolgen in den Schatten stellen würden.

Im Gegensatz dazu treten die Betroffenheiten durch die von zunehmenden Winter- und Extremniederschlägen ausgelösten Probleme, vor allem im Nordwestdeutschen Tiefland und an der Nordseeküste auf. Gerade hier erhöht die Kombination aus der Gefährdung durch Sturmfluten und einer wahrscheinlichen Zunahme von Extremniederschlägen (v.a. infolge von Winterstürmen) die potenzielle Betroffenheit.

Darüber hinaus wurden in Kurzdarstellungen in Form von Steckbriefen typische Klimawandel-Regionen hinsichtlich der zu erwartenden klimatischen Veränderungen, insbesondere für Szenario A1B anhand von zwei Problemkomplexen (Temperatur, Niederschlag) charakterisiert.

5. Analyseergebnisse zum Stand regionalplanerischer Aktivitäten zum Klimawandel

Neben der Ermittlung des räumlichen Anpassungsbedarfes wurde im Rahmen der Vorstudie ebenfalls eine bundesweite Analyse des Aktivitätsstandes der Regionalplanungen zum Klimawandel vorgenommen. Diese Analyse beruhte auf einer Auswertung der im Raumordnungsplan-Monitor (RoPlaMo) des BBSR erfassten Regionalpläne und einer telefonischen Befragung der Regionalplanungsstellen.

Die Auswertung der bestehenden Regionalpläne dokumentiert grundsätzlich ein breites und vielfältiges Repertoire an Regelungsmöglichkeiten bezogen auf das Thema Klimawandel. Es wurde aber auch deutlich, dass die Regionalplanung sich bislang vor allem auf den Aspekt der Emissionsreduktion und der Neutralisierung von klimarelevanten Gasen konzentriert hatte.

Der Beschluss der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) zum vorbeugenden Hochwasserschutz aus dem Jahr 2000 wurde in den Regionen in sehr unterschiedlichem Ausmaß umgesetzt. In der Regel wurde das Grundsatzthema Klima auch in den neuen Plänen vor allem als ein weiterer Begründungszusammenhang zur konsequenteren Anwendung bereits bestehender regionalplanerischer Instrumente wie Grundsätze und Ziele im Bereich der Siedlungsentwicklung, regionale Frischluftgebiete und Grünzüge sowie Standorte regenerativer Energien gesehen.

Eine der wichtigsten Herausforderungen der Regionalplanung ist es daher, das Themenspektrum zu erweitern, indem die Anpassung an den Klimawandel Berücksichtigung findet.

6. Ergebnisse der Bestimmung des raumordnerischen Handlungsbedarfs

Weitere Aufgabe der Vorstudie war es, einen Überblick über die Potenziale der Raumordnung in Bezug auf die Vorsorge und Anpassung an den Klimawandel bereit zu stellen.

Dafür stand zunächst die Identifizierung des raumordnerischen Handlungsbedarfs im Vordergrund. In der Analyse wurde die Bandbreite möglicher – bereits existierender – Instrumente und potenzieller Aktionsfelder der Raumordnung betrachtet, unabhängig davon, inwieweit diese bereits implementiert oder in der Praxis erprobt waren. Es wurden sowohl die Anpassung an den Klimawandel als auch der Klimaschutz mit einbezogen.

Kategorisierung der Instrumente einer regionalen Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategie
InstrumenteRäumliche GesamtplanungRaumbezogene FachplanungenWeitere Akteure/ Planungen
Regionalplanungz.B. Wasserwirtschaft, Landschaftsplanung, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Verkehrsplanung, …Tourismus, Katastrophenschutz, Naturschutz u.a. …
Quelle: eigene Darstellung

Formelle Instrumente

(gegenwärtige zu erfüllende Aufgaben)

Regionalplan (§ 8 ROG)

  • Gebietsfestsetzungen nach § 8 Abs. 7 ROG
    (Vorrang-, Vorbehaltsgebiete)

Sachlicher Teilplan (§ 7 Abs. 1 S. 2 ROG, z.B. zu Klimaschutz/ Klimaanpassung)

Raumordnungsverfahren (§ 15 ROG)

[Strategische Umweltprüfung (§ 9 ROG)]

Planfeststellungsverfahren (§§ 72-78 VwVfG)

Maßnahmenprogramme (§ 36 WHG)

Bewirtschaftungsplan mit integrierten Hochwasserrisikoplänen (§ 36b WHG)

Landschaftsrahmenplan (§ 15 BNatSchG)

Landschaftsplan
(§ 16 BNatSchG)

Flurbereinigungsverfahren (§ 1 FlurBG)

Forstliche Rahmenpläne (§ 7 BWaldG)

Planfeststellungsverfahren (§§72ff, VwVfG) bei Küstenschutz/IKZM

Kastastrophenschutzpläne der Kreise und kreisfreien Städte (Katastrophenschutzgesetze der Länder)

Informelle Instrumente

(§ 13 ROG)

(weitere Möglichkeiten, die z.T. bereits genutzt werden, aber im Hinblick auf den Klimawandel Ausbaupotenzial besitzen)

Beratung/Information und Moderation

  • Informationsbasierte Instrumente (GIS, Entscheidungsfindungssysteme)
  • Moderation von regionalen Prozessen

Mitwirkung bei Regionalkonferenzen, Regionalen Entwicklungskonzepten (REK) und Regionalmanagement

Räumliche Leitbilder und Szenarien

Raumordnerische Verträge

Regionale Klimawandel-Governance

Klimaverträgliche regionale Energiekonzepte

Regionale Siedlungs- und Verkehrskonzepte

Klimaverträgliche Konzepte für Korridore (Energie, Verkehr)

Mitwirkung bei Agrarstruktureller Entwicklungsplanung (AEP) bzw. Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten (ILEK)

Biotopverbundkonzepte

Klimaschutz in Berggebieten (Protokolle der Alpenkonvention)

(Risiko-) Managementpläne

Tourismuskonzepte

Artenschutz- und Biodiversitätsstrategien: Freiraumkonzepte, Biotop- und Lebensraumkorridore

Vor dem Hintergrund des raumordnerischen Handlungsbedarfs in Bezug auf den Klimawandel wurden folgende Aufgaben für die Umsetzung des Modellvorhabens in den Modellregionen identifiziert:

  1. Anwendung und praktische Überprüfung der regionalen Anpassungsstrategie;
  2. Weiterentwicklung und Anwendung konkreter Instrumente und Maßnahmen;
  3. Plattform für Diskursprozesse mit den tatsächlich Betroffenen, um die Legitimation und Akzeptanz und damit Umsetzungschancen der Maßnahmen zu erhöhen.

Als Ergebnis der Analyse wurde ein Vorschlag für eine idealtypische regionale Vorsorge- und Anpassungsstrategie entwickelt und in einem "Entwurf eines Leitfadens für die Erarbeitung eines regionalen Handlungs- und Aktionsrahmens zur Vorsorge und Anpassung der Raumstruktur an den Klimawandel" zusammengeführt.
>> Ergebnisse "Blaupause"

Weiterhin wird das Instrument der Zielvereinbarungen vorgeschlagen, um das Ziel einer Risikominderung zu verwirklichen, d.h. den Schutz vor Klimawirkungen zu effektivieren. Das Konzept einer Zielvereinbarung ist somit viel besser als konditional programmiertes, regelbasiertes Entscheiden in der Lage, flexibel auf Veränderungen der Rahmenbedingungen (z. B. aufgrund externer Einflüsse wie des Klimawandels) zu reagieren.

Diese Seite