Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Forschungsprojekt: Urbane Freiräume – Qualifizierung, Rückgewinnung und Sicherung urbaner Frei- und Grünräume

Projektsteckbrief

Urbane Frei- und Grünräume stehen unweigerlich im Spannungsfeld zwischen baulichen Nutzungsansprüchen, diversifizierten Nutzerinteressen, ökologischer Qualifizierung und dem Anspruch, durch ein Mehr an Grün und die gute Gestaltung in Anbetracht des Klimawandels auch zur Resilienz der Städte beizutragen. Das Forschungsteam gewann empirische Erkenntnisse zur vertieften Analyse der kommunalen Praxis der Freiraumentwicklung durch eine umfangreiche Literaturanalyse, eine bundesweite Online-Befragung kommunaler Akteure sowie die Untersuchung exemplarischer Fallstudien im gesamten Bundesgebiet. Auf dieser Grundlage erarbeitete es Handlungsempfehlungen für die städtebauliche Praxis sowie für die Politik .

Projektlaufzeit: Oktober 2015 – Mai 2017

Ausgangslage

Typen und Qualitäten urbaner Freiräume

Das Forschungsprojekt hat den bislang in der Stadtentwicklung nicht näher definierten Begriff der urbanen Freiräume genauer gefasst. Demnach weist eine große typologische Vielfalt an Frei- und Grünräumen entsprechende Qualitäten und Merkmale auf. Hierzu zählen sowohl grundstücks- und wohnungsbezogene Freiräume (z. B. Höfe, Gärten, begrünte Gebäudeflächen oder Gewerbegrün) als auch quartiers- und stadtteilbezogene Grün- und Freiräume (z. B. Parks, Plätze, Straßenräume oder Gemeinschaftsgärten), die charakteristisch für die innere Stadt sind. Hinzu kommen die Grün- und Freiräume, die aufgrund ihrer Größe und Lage innere und äußere Stadtränder bilden. Hierzu zählen zum Beispiel die großen Volksparks, Kleingartenanlagen, Stadtwälder oder urbane Landwirtschaftsflächen sowie größere noch unbestimmte Freiräume wie Brachen, Bauerwartungsland, Rest- und Sukzessionsflächen. Auch Begleiträume entlang von Infrastrukturtrassen und Flüssen, Erschließungsflächen und Stellplatzanlagen sowie Flächen der Ver- und Entsorgung besitzen Potenzial, wenn sie im Sinne der Multicodierung zumindest temporär als urbane Freiräume nutzbar gemacht werden.

Zusammenfassend lassen sich die Typen und Funktionen von urbanen Freiräumen wie folgt beschreiben:

Urbane Freiräume sind …

vielfältig!

Es sind grundstücksbezogene Frei- und Grünflächen, genauso wie Frei- und Grünräume in Stadtquartieren oder Grünräume an den inneren und äußeren Rändern.

nutzbar!

Es sind allgemein zugängliche, gut erreichbare und gemeinschaftlich nutzbare Frei- und Grünräume, die ihrem Zweck und dem Bedarf entsprechend gut gestaltet und gepflegt werden.

integriert!

Es sind öffentliche und private Freiflächen, die in den Stadtraum und das Wohn- und Arbeitsumfeld integriert sind und ein räumliches und funktionales Gesamtsystem bilden.

multifunktional!

Sie erfüllen vielfältige soziale, ökologische, ökonomische, kulturelle und identitätsstiftende Funktionen. Als mehrdimensionale Erfahrungs- und Handlungsräume sowie als Lernorte sind sie in allen Stadtquartieren und für die Gesamtstadt von Bedeutung. Sie bieten Möglichkeitsräume für neue informelle Nutzungen und Aneignungsformen, wie zum Beispiel das urbane Gärtnern oder unterschiedliche Sport- und Bewegungsarten.

ökologisch und ökonomisch wertvoll!

Es sind möglichst grüne oder begrünte Flächen, die durch eine standortgerechte und ortstypische Bepflan­zung die Erlebnisvielfalt und Biodiversität steigern, Wohlfühl- und Ruheorte bieten sowie einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit der Stadtbewohner und zur Resilienz der Städte im Klimawandel leisten.

In der dichten Stadt müssen urbane Freiräume …

… hohen Belastungen widerstehen und intensiv nutzbar sein. Dies erfordert eine anspruchsvolle Gestaltung sowie eine angemessene Pflege und Unterhaltung.

… neben den grünen auch die grauen Infrastrukturflächen einbeziehen, wie beispielsweise Straßen und Gebäudeoberflächen.

… immer auch grüne Gestaltungselemente aufweisen, um die visuelle Vielfalt, die Leistungsfähigkeit für den Naturhaushalt und die Biodiversität zu steigern.

… auf reduzierten Flächen optimal gestaltet werden. Für Mehrfachfunktionen und -nutzungen müssen gemein­sam mit den Eigentümern und Nutzern sinnvolle und nachhaltige organisatorische und gestalterische Lösungen entwickelt werden.

… mit dem Hochbau und dem Ausbau der technischen Infrastruktur strategisch und dauerhaft gesichert, (weiter-)entwickelt und qualifiziert werden.


Herausforderungen in der kommunalen Praxis

Urbane Frei- und Grünräume haben für die nachhaltige Stadtentwicklung und die urbane Lebens-qualität eine hohe Relevanz. Sie besitzen eine große Bedeutung als wichtiger Bestandteil des urbanen Lebens, der städtischen Identität sowie als vielfältig erlebbarer Freiraum, der Nutzungen von der Ruhe bis zur sportlichen Betätigung im Freien ermöglicht. Die Intensität der Nutzungen von urbanen Freiräumen nimmt in den Städten deutlich zu. Eine durch den demografischen Wandel und die Veränderungen in der Arbeitswelt "bunter" werdende Gesellschaft stellt diversifizierte Nutzungs- und Aneignungsinteressen an die urbanen Freiräume. Hierzu zählen unterschiedlichste Sport- und Bewegungsarten sowie gärtnerische Aktivitäten, die Menschen vermehrt ohne feste Bindung an klassische Vereinsstrukturen oder Institutionen in urbanen Freiräumen ausüben. Angesichts der zunehmenden Zahl an Einpersonenhaushalten in den Städten gewinnen auch soziale Kontakte in Form von Ausstauch und Begegnung in den öffentlichen Freiräumen an Bedeutung. Auch durch Außengastronomie, temporäre Events oder durch informelle und formelle Aktivitäten werden die urbanen Freiräume belebt. Gerade bei jüngeren Menschen sind kreative Aneignungs- und Nutzungsformen beliebt. Schließlich beeinflusst auch der Klimawandel die intensivere Nutzung urbaner Freiräume. Milder werdende Durchschnittstemperaturen und vermehrt auftretende Wärmeperioden verlängern die Nutzungszeiten im Freiraum und steigern gleichzeitig die Bedeutung schattenspendender und für Abkühlung sorgender Freiräume.

Besonders in wachsenden Städten rücken die Frei- und Grünräume zunehmend in den Fokus. Im Zuge der Innenentwicklung werden Städte und Stadtregionen räumlich kompakter und baulich verdichtet. Die Freiräume werden flächenmäßig knapper, aber von mehr Menschen intensiver und diversifizierter genutzt. Gleichzeitig verstärken sich in den dichter werdenden Städten die Auswirkungen des Klimawandels und der höheren Versiegelung sowie der dichteren Baumassen gegenseitig. In der Folge sind mehr hitzebelastete Stadtteile sowie höhere Schäden und Kosten bei Starkregenereignissen bereits zu beobachten.

Daher müssen urbane Freiräume widerstandfähiger und multifunktionaler gestaltet werden. Sie sollen möglichst viele Funktionen erfüllen: von der Erholung über die Regenwasserspeicherung und Kühlung bis zur biologischen Vielfalt. Insbesondere das Stadtgrün ist hier ein Hoffnungsträger. Grüne Freiräume sind Frischluftschneisen und Kaltluftentstehungsgebiete, sie dämpfen Lärm, unterstützen die Luftreinhaltung und die Temperaturregulierung. Das Grün in der Stadt wirkt sich nachweislich positiv auf das Stadtklima und die Gesundheit aus. Aber auch in der Freiraumentwicklung zeigt sich eine Polarisierung zwischen Quartieren durch eine zunehmende soziale Ungleichheit hinsichtlich der Verfügbarkeit von Frei- und Grünräumen. Die Umweltgerechtigkeit muss in der integrierten Quartiers- und Freiraumentwicklung daher stärker als bisher berücksichtigt werden.

Diese vielfältigen Ansprüche und Anforderungen an urbane Freiräume führen zu einer zentralen Schlussfolgerung für die kommunale Praxis: Die Freiraumentwicklung kann nur als interdisziplinäre und integrierte Querschnitts- und Gemeinschaftsaufgabe vieler Akteure zielführend bearbeitet werden. Neben unterschiedlichen Ämtern und Dienststellen der kommunalen Verwaltung (Grün- und Freiraumplanung, Stadtentwicklung, Bau, Verkehr, Soziales, Gesundheit, Umwelt und Naturschutz) sind auch private und zivilgesellschaftliche Akteure und Institutionen (etwa Bauherren und Eigentümer, Sportvereine, Initiativen) einzubeziehen. Zur effektiven Nutzung der vielfältigen Potenziale, zur Verbesserung der konkreten Situation vor Ort und für die Umsetzung von mehrdimensionalen Zielsetzungen bedarf es einer integrierten Betrachtung, Planung und Umsetzung, einer Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen sowie eines koordinierenden Managements in der Freiraumentwicklung. Dies bestätigen auch die Ergebnisse aus den empirischen Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsvorhabens.


Ziel

Die Untersuchung "Urbane Freiräume – Qualifizierung, Rückgewinnung und Sicherung urbaner Frei- und Grünräume" ist Teil der Initiative "Grün in der Stadt" des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und ergänzt in diesem Zusammenhang weitere Forschungsvorhaben des Bundes.

www.gruen-in-der-stadt.de

Das Forschungsteam sollte Lage, Relevanz und Perspektiven urbaner Frei- und Grünräume für die Umwelt- und Lebensqualität in den Städten untersuchen. Der Fokus lag dabei auf dem Spannungsverhältnis zwischen baulichen Entwicklungen und der Sicherung und Entwicklung von Freiräumen auf den räumlichen Ebenen der Gesamtstadt und der Stadtquartiere – besonders in wachsenden Städten.

Zentraler empirischer Bestandteil des Forschungsprojektes war die vertiefte Analyse der kommunalen Praxis der Freiraumentwicklung. Dabei ging es zunächst darum, gesamtstädtische Ausgangssituationen, Herausforderungen und Strategien zu untersuchen. Hierzu erhob das Forschungsteam kommunale Sichtweisen und Strategien der Grün- und Freiraumentwicklung und sondierte qualitative Ausprägungen urbaner Freiräume sowie programmatische Perspektiven zum Verhältnis von Bebauungs- und Freiraumqualitäten. Auf Grundlage der Analyse der kommunalen Praxis erarbeitete es Handlungsempfehlungen für die städtebauliche Praxis einer integrierten Bebauungs- und Freiraumentwicklung sowie für die Politik auf kommunaler Ebene und auf Ebene der Länder und des Bundes.

Auftragnehmer des Projekts waren die bgmr Landschaftsarchitekten GmbH in Kooperation mit der HafenCity Universität Hamburg.

Auftragnehmer

  • bgmr Landschaftsarchitekten GmbH
    Prager Platz 6, 10779 Berlin
    Dr. Carlo W. Becker und Dipl.-Ing. Sven Hübner
    www.bgmr.de

    Telefon: +49 (0) 30 214 59 59-12
    E-Mail: huebner@bgmr.de

  • In Kooperation mit:

    HafenCity Universität Hamburg
    Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung (HCU)
    Arbeitsgebiet Projektentwicklung und Projektmanagement in der Stadtplanung
    Überseeallee 16, 20457 Hamburg
    Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger und Dipl.-Ing. Stefan Kreutz
    www.hcu-hamburg.de/pe

    Telefon: +49 40 42827 4545
    E-Mail: stefan.kreutz@hcu-hamburg.de

Kontakt

  • Dr. Brigitte Adam
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 6 „Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung“
    Telefon: +49 228 99401-2325
    E-Mail: brigitte.adam@bbr.bund.de

  • Dr. Fabian Dosch
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 6 „Stadt-, Umwelt- und Raumbeobachtung“
    Telefon: +49 228 99401-2160
    E-Mail: fabian.dosch@bbr.bund.de

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