Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Forschungsprojekt: Umzugsmobilität und ihre Wirkung auf lokale Wohnungsmärkte

Projektsteckbrief

Die hohe Nachfrage nach Wohnraum insbesondere in den Großstädten und Ballungsgebieten führt zu einer deutlichen Verknappung des Angebotes vor allem im preisgünstigen Wohnungsmarktsegment. Inwieweit Neubaumaßnahmen durch Sickereffekte bzw. Umzugsketten zu einer Entlastung des preisgünstigen Wohnungsmarktsegmentes beitragen, ist in der Fachöffentlichkeit umstritten. Im Rahmen des Forschungsprojektes soll auf Basis einer umfassenden Empirie in vier Großstädten das Umzugsgeschehen näher analysiert werden, um daraus die Sickereffekte und deren Wirkungen auf das lokale Wohnungsmarktangebot abzubilden.

Ausgangslage

In den letzten Jahren ist vor dem Hintergrund der angespannten Wohnungsmarktsituation in vielen Großstädten die Wirkung der „Sickereffekte“ durch Neubau wieder intensiv diskutiert worden. Hierbei geht es vor allem um die Frage, inwieweit der Erstbezug von Neubauwohnungen als Beginn einer Umzugskette wirkt, die eine wohnungspolitisch relevante Versorgungswirkung im lokalen Wohnungsmarkt erzeugt. Kontrovers wurde bislang insbesondere diskutiert, ob auch relativ hochpreisiger Wohnungsneubau eine entsprechende Wirkung hat. Dies wäre dann gegeben, wenn die von ihm ausgehenden Umzugsketten über mehrere Folgeumzüge (oder Kettenglieder) hinweg auch bis in die preisgünstigeren Wohnungsmarktsegmente hinreichen. Insofern betrachtet die vorliegende Studie in erster Linie sowohl die Länge der Umzugsketten (= Anzahl der ausgelösten Umzüge) als auch deren segmentübergreifende soziale Reichweite.

Die praktische Bedeutung dieser Fragestellung für die Wohnungspolitik ist naheliegend: Bei einem hohen Maß an Umzugsverflechtungen zwischen einem relativ hochpreisigen Wohnungsneubau und den günstigeren Segmenten des lokalen Wohnungsmarktes könnte sich die Wohnungsbaupolitik stärker auf die Ausweitung des Wohnungsneubaus konzentrieren, ohne besonders darauf zu achten, in welchem Segment dieser stattfindet und für welche Zielgruppen er zur Verfügung steht. Das aus der Wohnungsknappheit entstehende Verteilungsproblem von Wohnraum würde über die in Gang gesetzten Umzugsketten primär im Wohnungsmarkt gelöst. Ein geringes Maß an empirisch nachweisbarer Umzugsverflechtung bedeutet demgegenüber, dass die ausgelösten Umzüge relativ eng auf das jeweilige Segment des Wohnungsneubaus begrenzt bleiben. Dies wäre ein Argument für eine noch stärkere Fokussierung der Wohnungspolitik auf den preisgünstigen geförderten Wohnungsneubau. Das Verteilungsproblem wäre primär politisch zu lösen.

Ziel

Die skizzierte Hauptfragestellung nach der Länge und Reichweite der im Wohnungsmarkt zu beobachtenden Umzugsketten gliederte sich in diverse Teilfragestellungen, die in ihrer Beantwortung einer umfassenden Charakterisierung des Umzugsgeschehens entsprechen. Ganz wesentlich war die Teilfrage, wie sich die Umzugsverflechtungen zwischen den einzelnen Wohnungsmarktsegmenten darstellen: Welcher Anteil der Umzüge ist im preislich-qualitativen Spektrum der Wohnungsmarktsegmente aufwärtsgerichtet, so dass nach dem Bezug einer teuren Wohnung tatsächlich eine günstigere Wohnung zum Wiederbezug durch einen anderen Haushalt frei wird? Welcher Anteil ist dementsprechend abwärtsgerichtet oder verbleibt im gleichen Preissegment? Und wie häufig kommt es vor, dass eine Wohnung nach dem Auszug des Haushalts im Preis angepasst wird und nicht mehr im bisherigen Segment verbleibt?

Wichtig waren ferner Erkenntnisse bezüglich der Intensität der überörtlichen Umzugsbewegungen, weil ein Zuzug aus einer anderen Region dazu führt, dass dort eine Wohnung frei wird. Im lokalen Wohnungsmarkt wird die Umzugskette in diesen Fällen nicht fortgesetzt bzw. reißt ab. Ein Abriss der Umzugskette entsteht auch, wenn beispielsweise nach einer Scheidung eine neue Wohnung bezogen wird, die bisherige Wohnung aber ebenfalls weiter bewohnt bleibt. Insofern waren auch die mit veränderten Haushaltszusammensetzungen einhergehenden Facetten des Umzugsgeschehens als Untersuchungsgegenstand relevant. Da der Wohnungsneubau als Start- oder Initialpunkt von Umzugsketten eine besondere Bedeutung hat, wurde schließlich auch beleuchtet, wie diese Initialumzüge in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Formen des Wohnungsneubaus zu charakterisieren sind.

Auftragnehmer waren das Institut für Raumforschung & Immobilienwirtschaft (IRI) sowie Quaestio - Forschung & Beratung.

Umzugsmobilität und ihre Wirkung auf lokale Wohnungsmärkte BBSR-Online-Publikation Ausgabe 11/2020 |

Kontakt

  • Iris Ammann
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat WB 1 „Wohnungs- und Immobilienmärkte“
    Telefon: +49 228 99401-1576
    E-Mail: iris.ammann@bbr.bund.de

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