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Die Europäische Union (EU) hat sich im Jahr 2000 in der Charta der Grundrechte auf die Gleichstellung von Mann und Frau als Grundwert geeinigt. Durch die Verträge von Lissabon ist die Einhaltung dieser Grundwerte seit 2009 für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend. In Deutschland sollte die Geschlechtergleichstellung bereits seit 1949 mit der Verabschiedung des Grundgesetzes – in der DDR seit 1950 mit Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechte der Frau – selbstverständlich sein. Alltägliche Erfahrungen weisen jedoch auf offen oder verdeckt fortbestehende Ungleichstellung hin, die mit deutlich unterschiedlichen Lebenschancen und Handlungsspielräumen für Frauen und Männer einhergeht. Insofern ist nach wie vor eine intervenierende und regelnde Gleichstellungspolitik nötig. Dafür bedarf es zunächst differenzierter Informationen über zentrale Lebensbereiche von Männern und Frauen in Deutschland wie in den europäischen Staaten.
Der Gender-Index überprüft anhand von 21 Indikatoren in 6 Domänen (Handlungsfeldern), inwieweit die Gleichstellung von Männern und Frauen in den 401 Stadt- und Landkreisen verwirklicht ist. Damit stellt das BBSR das zentrale Messinstrument für das handlungsleitende Prinzip des Gender-Mainstreamings in der Stadt- und Regionalentwicklung zur Verfügung:
1. Domain Work/Arbeit: In der Strategie „Europa 2020“ ist die Stärkung der Beschäftigung für ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Wachstum eine der drei Prioritäten. Eine höhere Frauenerwerbsbeteiligung hilft, den demografisch bedingten Rückgang der Erwerbstätigen auszugleichen. Dies umfasst auch die Ausweitung der Arbeitszeiten und der Besserstellung von Frauen im Beruf. Die Regionen weisen hier größere Unterschiede nach Art und Umfang der Erwerbsbeteiligung von Frauen auf. Indikatoren dieser Domain sind
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung am Wohnort
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit akademischem Berufsabschluss am Wohnort
nicht ausschließlich geringfügig entlohnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort
Vollzeitbeschäftigte am Wohnort
Beschäftigte in öffentlicher Verwaltung, Schul-, Gesundheits- und Sozialwesen am Arbeitsort
2. Domain Money/Einkommen: Aufgrund unterschiedlicher Erwerbsbiografien, Stellung im Beruf und Repräsentanz in Branchen mit verschieden hoher Entlohnung weisen die durchschnittlichen Arbeitseinkommen von Frauen und Männer große Unterschiede auf. Dies führt im Weiteren zu unterschiedlichen Gelegenheiten der ökonomischen Kapitalbildung. Regionale Unterschiede in der Domain Arbeit wirken sich daher auch auf die regionalen Einkommen von Frauen und Männern aus. Indikatoren dieser Domain sind
Medianeinkommen
Personen, die nicht Leistungen von Arbeitslosengeld II bzw. Grundsicherung für Arbeitssuchende beziehen
Ältere Menschen, die nicht Grundsicherung im Alter beziehen
3. Domain Knowledge/Bildung: Während Frauen durchschnittlich mehr und bessere Schul- und Berufsabschlüsse erreichen, bleibt die starke Segregation in der Fächer- und Berufswahl bestehen. Zwar dringen Frauen zu einem leicht steigenden, aber nachhaltig unzureichenden Anteil in die von Männern dominierten MINT-Fächer vor, doch Männer meiden weiterhin die von Frauen dominierten Care-Bereiche. Diese Unterschiede in der Berufswahl bedingen erheblich die nachfolgenden Unterschiede in den Karriereoptionen (Domäne Arbeit) und beim Verdienst (Domäne Einkommen). Indikatoren dieser Domain sind
Schulabgänger mit mindestens Hauptschulabschluss
Schulabgänger mit allgemeiner Hochschulreife
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Ausbildung am Wohnort
4. Domain Time/Zeitverwendung: Frauen und Männer unterscheiden sich stark im Umfang ihrer Erwerbsarbeit. Zudem wirken traditionelle Rollenvorstellung bezüglich der Verantwortung von Frauen für die Familien- und Hausarbeit fort und bedingen geschlechtertypisch unterschiedlichen Zeitaufwand für Familien- und Hausarbeit sowie entsprechend unterschiedliches Anspruchsverhalten hinsichtlich Urlaub aufgrund familiärer Pflichten. Nicht zuletzt hat die verbleibende freie Zeit für Erholung und Freizeit Auswirkungen auf die Erhaltung der persönlichen Gesundheit. Indikatoren dieser Domain können nur in unregelmäßigen Abständen über das Sozioökonomische Panel (SOEP) auf Ebene der Bundesländer erfasst werden
Zeitaufwand für Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege
Zeitaufwand für Freizeitaktivitäten
Ehrenamt einmal monatlich
5. Domain Power/Partizipation: Die ausgewogene und geschlechtergerechte Repräsentation in Entscheidungsgremien im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich ist Bestandteil mehrere politischer Dokumente. Es gibt nicht nur ein starkes Missverhältnis in der Repräsentanz in lokalen politischen Ämtern, sondern auch ein erhebliches Informationsdefizit auf regionaler Ebene. Ein Teil der Indikatoren dieser Domain kann nur in unregelmäßigen Abständen über das Sozioökonomische Panel (SOEP) auf Ebene der Bundesländer erfasst werden
Stadt- bzw. Kreisratsposten
Mitgliedschaft in Berufsorganisationen
freiwillige Tätigkeiten in Organisationen oder Vereinen
6. Domain Health/Gesundheit: Die Gewährleistung des gleichen Zugangs von Frauen und Männern zur Gesundheitsversorgung ist Gegenstand mehrerer politischer Dokumente. Am umfassendsten thematisiert wird der Abbau bestehender Unterschiede in geschlechtertypischen Gesundheitsrisiken, Krankheiten und Versorgung mit Gesundheits- und Pflegeleistungen. Indikatoren dieser Domain sind
Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt
Personen ohne Pflegebedarf
gesunde Ernährung laut Selbstauskunft
Berechnung des Gender-Index
Die Indikatorenwahl des europäischen Gleichstellungsindex zur Messung der Gleichstellung in den genannten sechs Domänen ist zunächst rein theoretisch motiviert. In die Messung fließen allerdings nur Indikatoren ein, die auch durch geeignete Statistiken quantifiziert werden können. Die statistischen Quellen sind, da im europäischen Kontext auf der Ebene der Staaten gemessen wird, umfassender, als es die Regionalstatistiken des Bundes und der Länder auf Ebene der Stadt- und Landkreise erlauben. Andere Indikatoren des Europäischen Equality-Index haben für die Ebene der Kreise keine Relevanz (z. B. Ministerämter, Entscheidungsgremien der Zentralbank) oder sind nicht geeignet (z. B. Studierende). Eine identische Nachbildung des GenderEquality Index für die Kreise ist daher nicht möglich. Deshalb wurden abweichende, jedoch gemäß Theorie und Intention möglichst naheliegende Indikatoren gewählt. Wegen dieser Abweichungen wird beim deutschen Gender-Index nicht die Subdomänen-Unterteilung des Equality-Index übernommen.
max(Xa) = maximaler Indikatorwert über alle Untersuchungseinheiten
Diese absolute Differenz der Geschlechter (1 - |Xw/Xa – 1|) wird mit dem Grad der Verwirklichung der Gleichstellung (z. B. Bildungsbeteiligung, Erwerbsbeteiligung etc.) (Xa/max(Xa)) gewichtet. Am günstigsten stellt sich die Situation dar, wenn geringe Geschlechterdifferenzen mit einer hohen Verwirklichung der Gleichstellung einhergehen, am schlechtesten entsprechend, wenn die Geschlechterdifferenzen sehr stark ausgeprägt sind und zudem der Grad der Verwirklichung gering ist. Der maximale Wertebereich liegt dabei zwischen 1 (absolut fehlende Gleichstellung) und 100 (Gleichstellung zu 100 % erreicht).
Geschlechterdifferenz der Domänen: Im deutschen Gender-Index werden ohne Zwischenschritt über die Subdomänen die Geschlechterunterschiede in den sechs Domänen als arithmetische Mittel-werte der Geschlechterunterschiede der zugehörigen Einzelindikatoren ermittelt.
Gender-Index: Die Bereiche werden nach ihrer Bedeutung gewichtet. Diese Gewichte wurden über ein Expertenpanel erhoben und für den deutschen Gender-Index unverändert übernommen. Für den Gesamtindex werden die gewichteten Geschlechterdifferenzen der Domänen als geometrischer Mittelwert bestimmt.
Gewichte der Domänen:
Arbeit
0,193
Einkommen
0,154
Wissen
0,216
Zeitverwendung
0,146
Einflussnahme
0,191
Gesundheit
0,099
Σ
1,000
Sowohl auf der europäischen Ebene als auch nachfolgend für den deutschen Kreisindex werden laufend Anpassungen und Verbesserungen durchzuführen sein. Insofern ist das Messkonzept der Gleichstellung kein statisches sondern ein fließendes, wobei die regionalen Differenzen in der Gleichstellung auch jetzt schon wertvolle Hinweise für politischen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf in den Regionen geben.