Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Dokumenttyp: Fachbeitrag Datum 14.06.2015 Wo die Bevölkerung in Europa wächst und wo sie schrumpft

Eine neue Analyse des BBSR offenbart große Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung innerhalb Europas. Schrumpfende und wachsende Regionen liegen oftmals direkt nebeneinander.

Fachbeitrag: Juni 2015 (aktualisiert Dezember 2016)


Der Westen wächst - der Osten schrumpft

Die Rückgänge in der Bevölkerungszahl ergeben sich vor allem in den östlichen Staaten Europas, sieht man einmal von Polen und Teilen Tschechiens und der Slowakei ab. Die größten Zuwächse zeigen sich insbesondere in den westlichen Staaten. In Osteuropa lässt dies den generellen Trend der Wanderung in die Metropolen erkennen. Bewegungen von Ost nach West bzw. von den neuen in die alten Mitgliedsstaaten liegen diesen Entwicklungen mutmaßlich ebenfalls zugrunde.

Urbanisierung und Suburbanisierung

In Westeuropa wachsen die Stadtregionen, das Umland in oftmals noch stärkerem Umfang. In Osteuropa sind es häufig nur noch die Hauptstadtregionen und einige wenige Städte, die eine Zunahme der Bevölkerung verzeichnen. Die Hauptstadtregionen in Osteuropa und in Polen darüber hinaus nahezu alle größeren Zentren zeigen deutliche Tendenzen der Suburbanisierung mit Bevölkerungsverlusten in den Zentren und teilweise sehr starkem Wachstum in den Stadtumlandgemeinden, dem "Speckgürtel".

Landflucht

Die Entwicklung der Städte geht zu Lasten der ländlichen Regionen. Die teilweise starken Rückgänge der Bevölkerung in den dünn besiedelten Regionen deuten auf einen Trend der Wanderung "vom Land in die Stadt". Dies geschieht in den nordischen Ländern und auch in Osteuropa in einer deutlich erkennbaren räumlichen Konzentration in den kleineren und mittleren Städten des ländlichen Raumes.

Wachsen, Schrumpfen und die Konzentration der Bevölkerung

Die Ergebnisse der im Jahre 2011 in Europa durchgeführten Zensus bilden die Grundlage für einen EU-weiten Vergleich der Bevölkerungsentwicklung von 2011 zurückgehend auf den jeweils letzten Zensus, in der Regel war dieser im Jahre 2001. Die Zensus in 2011 wurden in nationaler Verantwortung durchgeführt. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, war ein Teil der Fragen zur Bevölkerungs- und Haushaltstruktur, dem Erwerbsleben und zur Wohnsituation harmonisiert. Um dieses Gerüst herum legten die Länder eigene Schwerpunkte, in Deutschland stand etwa das Thema Integration im Vordergrund.

Die Bevölkerungszahl in der Europäischen Union steigt von 2001 bis 2011 um 16,9 Millionen Menschen mit einer Rate von 3,5% auf 503 Millionen. Im größeren europäischen Kontext von 43 betrachteten Ländern steigt die Zahl mit rund 4% um 23,5 Millionen Menschen auf 612 Millionen Einwohner.

In einigen Ländern Europas nimmt die Zahl der Einwohner deutlich zu. In Irland etwa um 17%, in Norwegen um 10% und im Vereinigten Königreich und Belgien um rund 7%. In Österreich, Italien und in Slowenien steigt die Zahl im europäischen Durchschnitt. Nur noch leichte Zuwächse verzeichnen Polen und die Slowakei mit unter 1%. In Deutschland als dem einzigen Land der alten EU nimmt die Bevölkerung um 1,6% ab. Die größten Rückgänge der Bevölkerungszahl verzeichnen Albanien mit knapp 10%, Lettland mit 12% und Litauen mit 12,5%.

Der Blick auf die Karte zeigt, wo sich in Ländern und Regionen die Gemeinden mit schrumpfender und wachsender Bevölkerungszahl konzentrieren.

In Lettland und Litauen, den Ländern mit den größten Bevölkerungsverlusten, leben im Jahre 2011 rund 90% der Bevölkerung in schrumpfenden Gemeinden, in Rumänien knapp 80%, in Bulgarien 72% und in Albanien 62%. In Lettland sank die Zahl der Einwohner in schrumpfenden Gemeinden um 14,1% während sie in wachsenden Gemeinden, ausschließlich in der Hauptstadtregion, um 24,4% stieg.

Deutschland zeigt sich in der Entwicklung auf den ersten Blick zweigeteilt. Die Anteile schrumpfender und wachsender Gemeinden an der Bevölkerung halten sich mit 50,4% bzw. 49,6% die Waage. In den schrumpfenden Gemeinden sank die Zahl der Einwohner im Vergleich zu 2001 um 6,1%, in den wachsenden Gemeinden stieg sie um 3,5%. Die Gebiete mit abnehmender Bevölkerungszahl prägen weite Teile des Landes. Ost-West-Unterschiede gibt es oftmals nur im Niveau des Rückganges. Deutlich wird die Konzentration des Bevölkerungswachstums in den großen Stadtregionen im Westen und im Raum Berlin, aber auch die ostdeutschen Städte, etwa Leipzig und Dresden gewinnen in dieser Zeit wieder an Einwohnern. Unterschiede zeigen sich aber nicht nur zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Im deutsch-polnischen Grenzraum etwa treffen unterschiedliche Entwicklungslinien mit Schrumpfen auf deutscher und Wachstum auf der polnischen Seite in deutlicher Ausprägung direkt an der Grenze aufeinander.

In den wachsenden Ländern Westeuropas verzeichnet ein Großteil der Gebiete auch wachsende Bevölkerungszahlen. In Frankreich leben rund 75% der Bevölkerung in wachsenden Gemeinden, die Zahl der Einwohner hat hier von 2001 bis 2011 um knapp 11% zugenommen, in schrumpfenden Regionen nahm sie um rund 5% ab. Die Zahl der Einwohner steigt hier insbesondere in den Küstenregionen. Im Südosten Englands bilden die am stärksten wachsenden Gebiete ein Muster sich von London ausbreitender radialer Achsen. Hier leben sogar rund 81% der Bevölkerung in wachsenden Gebietseinheiten.


Spanien und Italien zeigen sich in der Entwicklung gleichfalls zweigeteilt. In Spanien stehen starken Abnahmen in den westlichen Landesteilen die Zunahmen in den bevölkerungsreichen zentralen und östlichen Regionen gegenüber. Die Einwohnerzahl in Spanien steigt insbesondere im Raum um Madrid und in den Küstenregionen. Italien ist geprägt durch den Nord-Süd-Unterschied der Entwicklung, im Norden sowie in der Mitte wächst die Bevölkerungszahl, insbesondere um Rom und in den Industrieregionen des Nordens.

Städte und Stadtumlandgemeinden verzeichnen in nahezu allen Ländern steigende Einwohnerzahlen. In vielen Ländern, insbesondere in Osteuropa, sind sie oft die einzigen Regionen, in denen die Zahl der Bevölkerung steigt. In den baltischen Staaten und in Bulgarien konzentriert sich das Wachstum nahezu ausschließlich auf die Hauptstadtregionen. Während in Westeuropa sowohl die Städte als auch ihr Umland wachsen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, zeigen sich etwa in Polen sehr hohe Wachstumsraten in den Stadtumlandgemeinden bei gleichzeitig schrumpfenden Bevölkerungszahlen in den Städten.

Die Unterschiede zwischen Stadt und Land werden in deren Wachstumsraten der Bevölkerung deutlich. In den städtischen lokalen Gebietseinheiten mit einer Dichte von über 500 und in den als verstädtert zu bezeichnenden Gebieten mit 100 bis 500 Einwohnern je km² stieg die Zahl der Einwohner von 2001 bis 2011 um jeweils rund 5%. In diesen beiden Gebietsgruppen leben zusammen mehr als drei Viertel der Europäischen Bevölkerung. Eher mittelstädtisch geprägte Gebiete mit einer Dichte von 50 bis 100 Einwohnern je km² verzeichnen gleichfalls noch einen -wenn auch geringeren- Anstieg der Bevölkerung um rund 2%. Die eher ländlichen Regionen mit weniger als 25 Menschen je km² verlieren zusammen rund 6% der Bevölkerung, wobei die Verluste in den extrem dünn besiedelten Gebieten unter 10 Einwohner je km² 8% der Bevölkerung ausmachen.

Datengrundlagen

Das europäische Zensusjahr 2011 lieferte den eigentlichen Anlass, sich auf kleinräumiger lokaler Ebene der LAU 2 mit der Bevölkerungsentwicklung in Europa zu befassen um zumindest in diesem Bereich einmal europaweit einen Blick unter die NUTS-3-Ebene zu werfen. Da in vielen Ländern Europas, insbesondere in den osteuropäischen Ländern, die letzten Zensus im Jahre 2001 durchgeführt wurden, bot sich dieses Jahr als grundsätzliche Verwendung für den Zeitvergleich an.

In den Ländern, in denen die Bevölkerungsangaben des Zensus 2011 durch Registerauswertungen ermittelt wurden, war eine Abdeckung dieses Zeitraumes ohne Probleme möglich, in anderen Ländern wurde auf die letztverfügbaren Zählungen zurückgegriffen, in Italien etwa auf das Jahr 2002 oder in Frankreich auf das Jahr 1999. In Dänemark führte die grundlegende Gebietsreform des Jahres 2007 zu einschneidenden Brüchen in der Datenverfügbarkeit, hier musste auf Basis der Registerangaben ein anderer Zeitraum gewählt werden. Die Entwicklung wird hier für den Zeitraum von 2007 bis 2013 dargestellt.

In Deutschland, wo zum einen der letzte Zensus bekanntlich im Jahre 1987 stattfand und zum anderen die Zensusergebnisse deutlich von der Bevölkerungsfortschreibung abwichen, musste eine andere Vorgehensweise gewählt werden. Hier bildeten die Zensusangaben des Jahres 2011 die Grundlage. Den Zeitvergleich zu 2001 bilden vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumordnung (BBSR) auf der Basis des Zensus zurückgerechnete Angaben.

Die Darstellung der durchschnittlichen jährlichen Bevölkerungsentwicklung trägt den in einigen Ländern abweichenden Zeiträumen Rechnung und gewährleistet trotzdem eine Vergleichbarkeit der Entwicklungstrends im europäischen Kontext.

Die Bevölkerungszahlen stammen im Allgemeinen aus den Internetangeboten der nationalen statistischen Ämter. Die Grundlagen bildeten je nach Verfügbarkeit und Zugänglichkeit jeweilige Online Datenbanken oder abrufbare vorgefertigte Tabellen der Ämter. In der Hilfsbereitschaft der Statistischen Ämter bei der Bereitstellung der Angaben, wenn diese nicht online zugänglich waren, oder auch bei Nachfragen, fand sich der europäische Gedanke in der Statistik wieder.

Auf der Suche nach der Gemeinde in Europa

Eine Annäherung an das Verwaltungsgebiet der Gemeinde erfolgt in Europäischen Union harmonisiert über die sogenannten lokalen administrativen Einheiten. Diese werden auf zwei Ebenen abgegrenzt. LAU 2 bezeichnet dabei die kleinräumigste Verwaltungsebene und umfasst im Allgemeinen die politische Gemeinden bzw. Kommunen. Im Vereinigten Königreich und in Irland wird die LAU-2-Ebene unabhängig von der administrativen Ebene durch die Wahlbezirke (electoral wards) gebildet.

Die Ebene der LAU 1 ist darüber angesiedelt und wird in der Regel durch Gemeindeverbände gebildet, in Deutschland in einigen Bundesländern etwa durch die Gesamt- oder Samtgemeinden. In manchen Fällen wie in Dänemark, in Griechenland oder auch in Bulgarien finden sich auf dieser Ebene die eigentlichen Gemeinden. In anderen Ländern, z.B. in Belgien und Spanien ist diese Ebene nicht vertreten.

In der Karte wird grundsätzlich versucht, sich an der LAU-2-Ebene zu orientieren. Für die Mitgliedstaaten der Union und die EFTA Länder gelingt dies weitestgehend, einzige Ausnahme hier ist Bulgarien wo mit LAU 1 die Gemeinden verwendet werden. Für die Nicht-EU-Staaten in Süd-Ost-Europa wurden grundsätzlich die als Gemeinde bezeichneten Gebietseinheiten verwendet, eine Festlegung auf die LAU-1- oder LAU-2-Ebene erfolgt in diesen Fällen nicht.

Die im Vergleich zur regionalen Ebene der NUTS noch deutlich größeren Unterschiede in der Bevölkerungszahl , der Größe und der Gebietseinheiten schränken einen Vergleich natürlich ein, schließlich werden "Einpersonengemeinden" in Frankreich wie etwa Rochefourchat im Département Drôme mit Großstädten wie Berlin, Rom oder Madrid gleichgesetzt oder eine LAU-2-Einheit wie Kiruna, die in etwa der Größe von Rheinland-Pfalz entspricht, steht im Vergleich mit einem Ward in London mit einem Areal von 0,1 km². Die Intention war jedoch, administrative Einheiten wiederfindbar miteinander vergleichbar zu machen und die Möglichkeit der Verortung und Einordnung zu schaffen.

Als eine große Herausforderung entpuppten sich Gebietsveränderungen in diesem Zeitraum. Diese mussten zur Abbildung der Entwicklung nachvollzogen werden. Dies erfolgte soweit vorhanden weitestgehend auf Basis entsprechender Angaben der nationalen statistischen Ämter.

Daten, Karten, Grafiken

Karte (druckfähig): Durchschnittliche jährliche Bevölkerungsentwicklung in den europäischen lokalen Gebietseinheiten
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Netzdiagramm (druckfähig): Bevölkerungsanteile und -entwicklung wachsender und schrumpfender lokaler Gebietseinheiten (LAU2)
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Kreisdiagramm (druckfähig): Bevölkerungsanteile und -entwicklung der LAU2 nach Bevölkerungsdichte
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Karte (druckfähig): Ausschnittkarte der durchschnittlichen jährlichen Bevölkerungsentwicklung in den lokalen Gebietseinheiten im deutsch-polnisch-tschechischen Grenzraum in dreidimensionaler Darstellung
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Kontakt

  • Volker Schmidt-Seiwert
    Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
    Referat RS 3 „Europäische Raum- und Stadtentwicklung“

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