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Die Charta von Athen wird für gewöhnlich so interpretiert, dass eine geordnete städtebauliche Entwicklung die räumliche Trennung der städtischen Funktionen Arbeiten, Wohnen und Freizeit bedeutet. Unter dieser Leitvorstellung sind Stadtgefüge entstanden, die monostrukturiert und funktional einseitig ausgerichtet sind.
Der durch die Funktionstrennung angestrebte Effekt der Abschwächung von wechselseitigen Störungen zwischen den städtischen Nutzungen hat zu andersartigen zusätzlichen Belastungen für den Stadtraum geführt. Lärmbelästigung wird als Umweltproblem Nr. 1 bezeichnet. Die Immission im städtischen Raum und der Flächenverbrauch für Straßen sind weitere Mobiltätskosten, die zu Lasten der Umwelt gehen und die natürlichen Lebensgrundlagen zunehmend gefährden.
Die verbesserten Mobilitätsbedingungen in den Stadtregionen eröffnen prinzipiell individuelle Chancen, den Ort der Arbeit, des Wohnens, der Freizeit frei zu wählen. Durch diese erleichterte Standortwahl ergeben sich gesteigerte Lebensqualitäten, die der Stadtmensch nur selten missen möchte. Schon heute werden mehr Wege für Freizeitzwecke zurückgelegt als im Berufsverkehr. Zugleich leiden viele Menschen unter den Auswirkungen wachsender Verkehrsbelastungen.
So werden Forderungen nach der "Stadt der kurzen Wege" laut und die Vorteile nutzungsgemischter Quartiere wiederentdeckt. Es wachsen die Erwartungen, durch den Einsatz neuer Technologien den Mobilitätsaufwand stadtverträglicher zu steuern oder etwa durch Telekommunikation zu reduzieren.
Doch solange die "echten" Kosten, wie Straßenbau, Gesundheitsschäden und Energiekosten, nicht in die individuelle Verkehrsmittelwahl eingestellt werden, solange wird das eigene Auto bevorzugt werden. Zudem sind Maßnahmen erforderlich, die Angebote des Umweltverbundes attraktiver zu gestalten.
Gleichwohl sind bereits ermutigende Ansätze für stadtverträgliches Mobilitätsmanagement erkennbar, wie z. B. Car-sharing-Projekte, Pilotprojekte "Wohnen ohne Auto", City-Logistik, Parkraumbewirtschaftung. In diese Überlegungen sind auch regionale Kooperation zur Förderung lokaler Warenströme einzubeziehen. In vielen Städten sind vielversprechende Projekte gestartet, die deutlich machen, dass Mobilität im Raum zunächst bei einer Mobilität im Kopf der Menschen ansetzen muss.
Strategie: Anbindung von Wohngebieten und Arbeitsstätten an den ÖPNV
Die Neubautätigkeit erfolgt bevorzugt dort, wo die Bodenpreise niedrig sind und damit die laufenden Wohnkosten tragbar gehalten werden können. Häufig sind solche "billigen" Standorte aber unzureichend mit dem ÖPNV erschlossen, was zwangsläufig in die Abhängigkeit vom privaten Kraftfahrzeug führt und nicht selten einen Zweitwagen erfordert.
Die höheren Mobilitätskosten kompensieren den Vorteil entlegener Standorte und bewirken höhere Umweltlasten.
Die raumordnerischen Zielvorstellungen einer dezentralen Konzentration sind im Interesse einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung auch auf die Stadtentwicklung zu übertragen. In der Konsequenz bedeutet dies eine Konzentration der Bautätigkeit auf solche Standorte, die bereits mit dem ÖPNV gut erschlossen sind bzw. problemlos angebunden werden können.
Durch ein entsprechend abgestuftes Dichtemodell mit hoher baulicher Dichte an den ÖPNV-Stationen kann zum einen der Baulandbedarf in der Region reduziert und zum anderen das Angebot des ÖPNV verbessert werden.
Seit einigen Jahren stagnieren die Fahrgastzahlen im öffentlichen Personennahverkehr, nachdem in den 80er Jahren deutliche Zuwächse zu verzeichnen waren. Der ÖPNV hat aus städtebaulicher Sicht zahlreiche Vorteile, die u. a. wegen räumlicher Barrieren nicht immer zur Wirkung kommen. So bleiben Busse ebenso im Verkehr stecken wie PKW, wenn der ÖPNV keinen Vorrang genießt. Stauzeiten im PKW werden eher akzeptiert als Wartezeiten an den Haltestelle.
Angesichts der zu erwartenden Zuwachsraten im Verkehrsaufkommen sind Maßnahmen zur Imageverbesserung des ÖPNV unverzichtbar, u. a. durch bevorrechtigte Nutzung des Straßenraums durch Busse und Straßenbahnen oder durch eigene Spuren bzw. Gleiskörper.
Die langfristige Perspektive muss eine Konzentration der Siedlungsentwicklung auf Standorte mit ÖPNV-Anbindung vorsehen, so dass innerstädtischen Wege überwiegend durch den Umweltverbund erfolgen.
Als mittelfristige strategische Orientierung ist die vorrangige Ausweisung von verdichteten Baugebieten auf Standorte im Einzugsbereich von ÖPNV-Stationen und die Stärkung innerstädtischer Standorte zu sehen, so dass ein Verhältnis von Umweltverbund zu MIV von 2 :1 erreicht werden kann.
Beispielhafte Maßnahmen auf kommunaler Ebene: ÖPNV-orientierte Baulandausweisung, Erreichbarkeitsnachweis (Haltestellennachweis) analog zum Stellplatznachweis, Erleichterung bei der Stellplatznachweisverpflichtung, Entwicklung eines Dichtemodells im Zusammenhang mit regionalen Verkehrskonzepten, städtebauliche Verträge in Kooperation mit örtlichen Verkehrsbetrieben, Beschleunigung des ÖPNV durch eigene Spuren oder separate Gleiskörper, Einrichtung von Schleusen und Vorrangschaltungendurch Ampeln an Orten erhöhten Verkehrsaufkommens, wohnungsnahe Haltestellen, entferntere KFZ-Abstellplätze, Verbesserung der Haltestelleninfrastruktur und Umsteigequalität, Integration des örtlichen in den regionalen ÖPNV, ständiger Arbeitskreis zur Defizitund Konfliktregelung, Ausbau schienengebunder Netze, Ausbau Park & Ride, Einrichtung eines Fahrgastbeirates.
Strategie: Reduzierung des Flächenbedarfs des motorisierten Individualverkehrs
Der Motorisierungsgrad hat sich in den alten Ländern in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Heute beträgt er mehr als 500 PKW pro 1 000 Einwohner.
Die Belastungen durch Schadstoffe, Lärm und Flächenbeanspruchung für Straßen und Einstellplätze in der Stadt werden von den berufsbedingten Einpendlern "importiert". Andererseits entwickelt sich der Freizeitverkehr der Städte zu einem noch bedeutsameren Faktor der Verkehrsbelastung als der Berufsverkehr. Jeder zweite Kilometer wird in der Freizeit gefahren.
In vielen Stadtregionen konzentrieren sich die Verkehrsspitzen schon längst nicht mehr auf die "Rush-hour"; Staus gehören zu den ganztägigen Erscheinungen. Hinzu kommt eine zusätzliche Belastung der Innenstädte durch eine Zunahme des Lieferverkehrs.
Der Ausbau von Verkehrswegen führt in der Regel nicht zu verkürzten Wegen, sondern erhöht die Bereitschaft, noch weitere Wege zu fahren. Zudem erfordert das Autofahren einen zehnfach höhere Bedarf an Verkehrsfläche als das Fahrradfahren. Ein Auto beansprucht durchschnittlich 200 m2 versiegelte Verkehrsfläche. In der BRD erweitert sich die Verkehrsfläche stündlich um die Größe eines Fußballfeldes.
Die langfristige Perspektive muss sich auf eine konsequente Reduzierung der MIV-Verkehrsleistung beziehen und die innerstädtischen Mobilitätsbedarfe auf umweltfreundliche Alternativen umleiten. Angesichts des prognostisierten hohen Zuwachses an Verkehrsaufkommen wäre mittelfristig bereits eine begrenzte Zunahme als Erfolg anzusehen.
Mittelfristige sollte die stadtverträgliche Mobilitätssteuerung sich strategisch auf eine Kombination von restriktiven und weichen verkehrsvermeidende Maßnahmen orientieren.
Beispielhafte Maßnahmen auf kommunaler Ebene: Reglementierung des PKW-Verkehrs an den Einfallstraßen, ÖPNV-Bevorzugung, z. B. durch privilegierte Busspuren, Planungsund Baustop für zusätzliche Straßen, Straßenrückbau, Reduzierung des innerstädtischen Parkraumes und Parkraumbewirtschaftung, Ausweitung der Rad- und Fußgängerbereiche, KfZ-Abschaffungsprämie (Umweltticket), Abwerben des Autofahrers auf andere Verkehrsmittel (Parkund-Ride, Jobticket), Stadt-Umland-Arbeitskreis zur Verkehrserzeugung und -vermeidung.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es rund 60 Mio. Fahrräder, aber nur 40 Mio. Pkw. Die Verkehrspolitik wird aber immer noch durch das Auto dominiert. Das Fahrrad erfreut sich einer zunehmenden Akzeptanz. Aus dem hohen Bestand an Fahrrädern ist in der Regel nur ein hohes Nutzungspotenzial ableitbar, nicht automatisch eine häufige Nutzung.
Durch den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad reduziert sich der Verkehrsflächenbedarf auf ein Zehntel. Der Großteil der städtischen Wege ist kürzer als drei Kilometer; dies ist eine Distanz, die – abhängig von den topographischen Gegebenheiten – grundsätzlich hervorragend für das Fahrrad als Verkehrsträger geeignet ist.
Etwa 11 % aller Wege wird heutzutage mit dem Fahrrad zurückgelegt. Erhebliche Abweichungen von diesem Durchschnittswert sind nicht nur auf topographischen Besonderheiten, sondern auch auf Mentalitäten und nicht zuletzt auf die Qualität und den Ausbau der Fahrradwege zurückzuführen.
Erfolgsbilanzen einzelner Städte beim Ausbau des Fahradwegenetzes beziehen sich nicht selten auf einfache Abmarkierung auf der Fahrbahn, ohne dass das eigentliche Gefahrenpotenzial – insbesondere für Kinder – abzubauen. Die Verlagerung von Nutzungskonkurrenzen zwischen Kfz und Fahrrad durch Abmarkierungen auf den Bürgersteigen führen nicht selten zu neuen Konflikten mit den Fußgängern/innen.
Ein Anteil von durchschnittlich etwa einem Drittel am städtischen Verkehrsaufkommen wird von Experten als möglich angesehen. Etwa ein Drittel des Gesamtstraßennetzes sollte von gesonderten Radwegen begleitet sein. Hierzu bedarf es aber Maßnahmen zur qualitativen Ausgestaltung der örtlichen Radwegenetze. Hinzu kommen weitere Maßnahmen, wie Mitnahmemöglichkeiten im ÖPNV, bessere Verbundlösungen, wie z. B. überdachte Abstellmöglichkeiten und Verleihstationen.
Als langfristige Perspektive ist anzustreben, dass der überwiegenden Teil aller innerstädtischen Wege im Rahmen des Umweltverbundes von ÖPNV, Fahrrad und Zufußgehen erfolgt.
Die mittelfristige strategische Orientierung sollte auf eine Attraktivitätssteigerung des Fahrradfahrens abzielen, so dass der Umweltverbund zwei von drei innerstädtischen Wegen ausmacht (modal split).
Beispielhafte Maßnahmen auf kommunaler Ebene: Einrichtung von Fahrradstraßen, Markierung von Fahrradstreifen und Bau breiter Radwege, Radwege untereinander fahrbar vernetzen, eigene Linksabbiegerspuren für Radfahrer an großen Kreuzungen, Schaffung von ausreichend vielen und sicheren Abstellanlagen, durchgehende Öffnung von Einbahnstraßen für Fahrräder, Entwicklung eines realisierbaren und finanziell abgesicherten Radfahrkonzeptes, Einrichtung eines ständigen Arbeitskreises zur Qualitätssicherung, Aufbau städtischer Fahrradverleih- und Servicestationen, Nachweis von Fahrradstellplätzen (wie bisher beim Pkw vorgeschrieben).
Strategie: Erhöhung der Aufenthaltsqualität für Fußgänger/innen
Die Vorherrschaft das Kraftfahrzeuges lässt vergessen, dass der Straßenraum über viele Jahrhunderte den Fußgängern vorbehalten war. Die Einrichtung von Fußgängerzonen in den Innenstädten hat zu einer wesentlichen Attraktivitätssteigerung geführt, Sie wurden Identifikationspunkte für die Stadtbewohner und zugleich Anziehungspunkte für den Fremdenverkehr. Gleiches gilt für die in vielen Städten durchgeführten Verbesserungen des Wohnumfeldes.
Die Aufenthaltsqualität im städtischen Raum erweist sich dabei nicht nur abhängig von der Gestaltung der Straßen und Plätze, von den kulturellen Bauten und urbanen Schauplätzen. Auch solche weichen Faktoren wie Geborgenheit, Wohlgefühl und vor allem Sicherheit entscheiden über das Image städtischer Räume. Dabei bilden die räumlichen Angebote für Ausruhen, Verweilen, Sehen und Gesehenwerden, aber auch Teilnehmen und Darstellen eine das lebendige Stadtleben kennzeichnende Mischung.
Lebensräume können dann als gelungen angesehen werden, wenn das Angebot zum Verweilen angenommen wird und sich eine urbane Lebendigkeit einstellt. Von besonderem Wert ist es, wenn die Bürger/innen den öffentlichen Raum gestalten und Verantwortung übernehmen, z. B. durch Baumpatenschaften oder Straßenfeste. Immer wieder stoßen Initiativen auf Rückgewinnung der Straße auf den Widerstand derjenigen Nachbarn, die den Verlust ihres wohnungsnahen Abstellplatzes für ihren Pkw sorgen.
Die Aufenthaltsqualität städtischer Räume entzieht sich weitgehend einer normativen Messung. Vielmehr ist sie bestimmt durch sehr unterschiedlich erlebte und subjektiv empfundene Werte. Urbanität ist geprägt durch sehr unterschiedliche Bedürfnisse, deren Befriedigung das "Flair" einer Stadt ausmacht. Trotz der zunehmenden "Virtualisierung" vieler Lebensbereiche erweist sich der "echte" Stadtraum als unverzichtbarer und als beliebter Ort der Begegnung und der Teilhabe am städtischen Leben.
Als langfristige Perspektive muss die Rückeroberung öffentlicher Räume und Plätze durch die Fußgänger/innen angestrebt werden.
Als mittelfristige städtebauliche Orientierung ist die Gefahrenabwehr und die Erhöhung der Aufenthaltsqualität anzugehen.
Beispielhafte Maßnahmen auf kommunaler Ebene: Ausweisung verkehrsberuhigter Straßen, Bündelung des Durchgangsverkehrs, Flächenhafte Tempo-30-Zonen, Maßnahmen der Stadtgestaltung (Grün, Sitzbänke, Spielangebote), Unterstützung privater Initiativen zur Umfeldverbesserung.