Mit dem vorliegenden Themenheft will die Zeitschrift eine Tendenz verstetigen und ausweiten, die mit dem Heft "Planen und Bauen über Grenzen" (Heft 4/5.2001) einen Anfang nahm: die wissenschaftliche Bezugnahme auf die gebaute Umwelt und ihre Gestaltung. Mehr und mehr konsolidiert sich im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) das neue Arbeitsfeld "Architektur/Baukultur", und dies soll sich künftig - neben den etablierten Bereichen der "Raum- und Stadtentwicklung" sowie, in jüngerer Zeit, des "Wohnungswesens" - auch in der Thematik der Zeitschrift widerspiegeln.
Wir sind, zu jeder Zeit und allerorten, von Gebäuden und Planwerken, von Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten, von Straßen, Landschaften und Infrastrukturbauten berührt. Die Herstellung dieser gebauten Umwelt und der alltägliche Umgang damit: So wird "Baukultur" - Planungskultur" hier verstanden. Dabei geht es um technische Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gebrauchsnutzen, aber auch um Offenheit, Gestaltqualität, regionale und nationale Identität, Umweltbewusstsein, Prozessgestaltung und soziale Integration. Insofern kann "Bau- und Planungskultur" nicht allein die Sache von Architekten, Ingenieuren, Planern oder Wissenschaftlern sein.
Der Anspruch des Heftes besteht nicht darin, die Deutungshoheit über das, was hier in bewusster Breite "Baukultur - Planungskultur" genannt wird, zu erringen. Vielmehr soll ein Anstoß für eine weitere Debatte gegeben werden. Ohnehin kann der Doppelbegriff recht zwiespältig gelesen werden: Zwar entwickelt er eine kritische Kraft, wenn er Mangelerscheinungen, Verfahrensprobleme und Qualitätsverluste aufzeigt, wenn es zu diskutieren und öffentlich zu machen gilt. Aber zugleich schwebt er in der Gefahr, sich dem Reaktionären, Fundamentalistischen anzunähern, wenn das Bild der heilen Welt projiziert und vorgegaukelt wird. Das Koordinatensystem einer kritischen Betrachtung von Bau- und Planungskultur stellt jener gesellschaftliche Wandel dar, der von Neoliberalismus und Globalisierung bis zu kultureller Entwurzelung und Ortlosigkeit reicht. In diesem Prozess lässt sich eine strukturell bedingte Leere konstatieren: Wir erfahren sie ganz konkret und individuell als Identitätskrisen, als einen gesellschaftlichen Solidaritätsverlust, oder kulturell als das Komplexitätsproblem einer uns immer fremder werdenden Welt.
Nun wäre es jedoch eine Illusion zu erwarten, dass Bau- und Planungskultur von allen Mitgliedern einer Gesellschaft interpretatorisch gleich bewertet wird. Gerade weil sie aber mit der Befriedigung der alltäglichen Lebensbedürfnisse zu tun hat, liegt ihre zentrale Aufgabe darin, einen Ausgleich herbeizuführen zwischen der Orientierung am Gemeinwohl und der Optimierung von Eigentums- und Individualrechten Einzelner. Dabei wird man sich indessen auch - und erneut - bewusst machen müssen, dass Gestaltung - im Sinne von Architektur, Städtebau, Denkmalschutz usw. - als räumliches System nach wie vor Ordnungsaufgaben innerhalb der Gesellschaft übernimmt.
Ein modernes Planungs- und Bauwesen gewinnt aufgrund seiner ökonomischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Relevanz für Europa insgesamt an Bedeutung. Das Thema "Baukultur - Planungskultur" ist somit nicht nur ein nationales, sondern auch ein internationales, europäisches Thema. Einzelne europäische Positionen öffnen die Perspektive in diese Richtung und verdeutlichen, wie man in diesen Ländern mit dem Thema umgeht; das eine oder andere tradierte Bild wird dabei ein wenig "zurechtgerückt".
Ziel des Heftes ist es, das komplexe Themenspektrum darzustellen und die verschiedenen Dimensionen des Themas zu beleuchten. Hiermit soll "der erste Stein ins Wasser geworfen werden", der - hoffentlich - weite Kreise zieht.
Wissenschaftliche Redaktion:
Florian Mausbach,
Robert Kaltenbrunner (
robert.kaltenbrunner@bbr.bund.de
),
André Müller
Inhalt
Kurzfassungen/Abstracts (PDF, 31KB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)
- Florian Mausbach, Robert Kaltenbrunner, André Müller
Einführung
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- Ingeborg Flagge
Baukultur - einige kritische Anmerkungen
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- Irene Wiese-von Ofen
Baukultur - Planung. Das Thema aus der Sicht eines internationalen Verbandes
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- Jörn Walter
Der Bauherr, der Wettbewerb und das Baurecht - Anregung zur Beseitigung eines Konstruktionsfehlers
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- Christian Brückner, Peter Brückner
Unser Weg
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- Ulf Matthiesen
Baukultur in Suburbia - Perspektiven und Verfahrensvorschläge
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- Olaf Asendorf
Tradition, Architekturwahrnehmung und Laienvorstellungen
Download (PDF, 271KB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)
- Christian Peters, Stephan Willinger
Architekturpolitiken in Europa - Ein Überblick
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- Robert Kaltenbrunner
Bau und Überbau. Planung, Architektur, Kultur: Nur eine Frage der Wahrnehmung?
Download (PDF, 941KB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)
- Hubertus Adam
Die Schweiz - das (angebliche) Architekturwunder?
Download (PDF, 205KB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)
- Bart Lootsma
SuperDutch afterthoughts. Ein Blick in die Niederlande
Download (PDF, 81KB, Datei ist barrierefrei/ barrierearm)
- Kaliopa Dimitrovska Andrews
Planning in Flux: Changes in the Spatial Structure of Central and Eastern European Cities - The Case of Ljubljana
Download (PDF, 423KB, Datei ist nicht barrierefrei)
Bezugsbedingungen für Altbestände der IzR
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